Gesichter einer Szene No.28

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Pünktlich zum Wochenende mochte sich der Sommer wieder sommerlich zeigen. Das passte mir gut in den Kram, denn, obwohl kein Freund von Temperaturen jenseits der 25°, hätte ich auch nicht im Dauerregen des vorletzten Tages fotografieren wollen. Denn heute wird im Garten fotografiert. Zum frühen Abend fahre ich also in eine der Gartenkolonien in Guben, die es wohl in jeder deutschen Stadt gibt. Allen umgibt ein Hauch von Kleinbürgerlichkeit und unbedingter Ordnung, dennoch suchen auch Menschen, die derlei Ansichten nicht bis zum Erbrechen teilen, Entspannung in den grünen Parzellen. Sylke zum Beispiel. Als ich eintreffe, setzen wir uns erst mal an den Tisch auf der Terrasse und ich bekomme ein kühles Radler serviert, wobei wir feststellen, dass wir uns nun schon seit zwanzig Jahren kennen. Und auch wenn Sylke seit ein paar Jahren hier ihren Feierabend verbringt, handwerklich begabt – schraubt, malert und Dinge auf Vordermann bringt – hat sie sich für ihren Garten nicht verbogen. Das wäre ja noch schöner. Da ich den Garten schon zu einigen Partys besucht habe, war in mir schon eine gewisse Vorstellung über das wo und wie für das Foto. Sylke meint, ich sollte bei der Auswahl der Lokalität der alten Bank Beachtung schenken, genau das war auch mein Plan, denn dort steht auf einem Regal an der Wand auch ein altes Radio im Weine. Das wollte ich mit drauf haben. Dazu habe ich neben dem Hauptlicht auf Sylke einen zweiten Blitz mit geringer Leistung direkt auf eben dieses Radio gerichtet. Ein paar Probeaufnahmen später könnten wir loslegen, jedoch trifft meine liebe Gemahlin ein, was zu einer „Zigarettenpause“ führt, freilich ohne mich. Derart entspannt, darf der Fotograf nun fotografieren, obwohl die Porträtierte eigentlich nicht so gerne fotografiert werden möchte, weil sie auf Fotos immer doof aussieht 😉 Das alte Lied. Es gilt also Vertrauen aufzubauen, obschon ich Vorschusslorbeeren bei einem Familien-Shooting für Sylke sammeln durfte. Sylke vertraut mir also. Das macht mich nun doch etwas nervös, was wenn ich hier Mist baue? Ein paar Fotos später zeige ich Ergebnisse auf dem Display, Sylke ist noch nicht ganz zufrieden, da geht noch mehr, ja nicht verkacken! Die Sonne brennt mir auf die Kappe. „Guck mal so?“ Erstes Absegnen, das finale Foto können wir ja später zu zweit auswählen, wenn die Bilder entwickelt sind. Zum Abschluss bitte ich meine Frau, noch einmal den Auslöser zu drücken, die Bank bietet schließlich Platz für zwei Freunde. Fertig, Jetzt gilt es alles zu verpacken und das Auto auf den heimischen Parkplatz zu fahren, denn wir wollen uns heute Abend noch in kleinem Kreis eine spontane Gartenparty geben, natürlich mit Bier und guter Musik 🙂

Steckbrief:

Sylke (48) Physiotherapeut

Fan „der dabei einen guten Eindruck macht“ ;-), Konzertgänger

…und am Anfang war der Blues. Sylkes Liebe zur Musik begründet sich in der Liebe zur Blues Musik, besser dem Bluesrock. So konnte sie sich schon als Teenager in den Liedern von Neil Young verlieren, lernte dabei, Musik so zu hören, dass davon mehr hängen blieb als ein flüchtiger Ohrwurm, der gerade dazu taugte, die Zeit lästiger Hausaufgaben zu überbrücken. Diese Musik hatte einfach Seele. Zu jener Zeit oblag es ihrem Cousin mit Kassetten-Tapes von Kiss, AC/DC oder auch Nazareth ihre Aufmerksamkeit in andere musikalische Gefilde zu lenken, die ihren Ursprung in eben diesem Blueserock hatten. Darauf ließ sich Sylke gern ein. Zwar noch immer in Klettis, Parka, Fleischerhemd und Hirschbeutel gekleidet, die üblich-verdächtigen Bluesschuppen der Umgebung bereisend, verschwendete sie immer mal mehr einen Blick auf die neuerdings an extra Tischen rumlungernden Metal Fans. Und sind wir mal ehrlich, Heavy Metal Fans in den 80er Jahren, das roch nach Anarchie, vielleicht nicht so stark wie bei den Punks, aber Typen mit Schnurrbärten, langen Haaren, gekleidet in Muskelshirts auf denen es um Tod und Teufel ging – das war schon ’ne andere Hausnummer als Love & Peace. So freundete sich Sylke mit ihnen an, um im Laufe der Jahre mehr und mehr, die Art wie man in dieser Szene lebt, zu lieben und zu schätzen.

Heute hört Sylke mit Vorliebe Bands wie Volbeat oder Sabaton, ihren Jahresurlaub macht sie quasi in Wacken, dafür gibt sie gern ihr letztes Hemd, weil ihr das einfach wert ist. Den Blues, den hat sie natürlich immer noch im Blut, so wie jeder, der harte Musik mag, auch wenn es einige noch gar nicht bemerkt haben mochten.

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making-of

 

 

One Comment

  1. scharelli Oktober 18, 2016

    Jaja, die Sylke… Ich habe sie noch als Blueserin kennengelernt. Das ist nun auch schon ein paar Jährchen her. 🙂 Das sie im Laufe der Jahre zum Metal fand, hat mich damals überrascht, blieben doch einige ihrer Freunde im Blues „stecken“. Um so mehr freue ich mich dieser Tage immer, wenn wir uns mal wieder sehen und quatschen und zusammen ein Bierchen süffeln…

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