Gesichter einer Szene No.38

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Vier Monate nach meinem ersten Besuch in Schwarzenberg im Erzgebirge lenke ich das Gefährt an einem Freitagabend erneut die letzten Kilometer über bergige Landstraßen. Es ist mir irgendwie nicht gelungen, über Aue rein zu kommen. Das wäre streckentechnisch deutlich entspannter gewesen, die letzte Rückfahrt bewies es. Vielleicht bin ich einfach nur Masochist oder Egoist, oder ein Auto-Nazi.
Das jedenfalls denke ich – denken die – die hinter mir her fahren müssen. Ich fahre durchaus die gebotenen 50 in den gebirgigen Ortschaften, aber die Lichter der Nachfolgenden kommen immer näher, bisweilen sie mich überholen, innerorts, wahrscheinlich im 2.Gang mit 6500 Umdrehungen 😉
Mir Wurscht, die 10 Minuten bis zum Ziel überstehe ich auch noch und bei meinem ältesten Bengel wartet schon kühles Pils und gute Musik, was will man mehr? Vielleicht besseres Wetter? Es gibt da Einheimische, die mir schon am Freitagabend steckten, ich (bzw. wir, die Brandenburger) hätten das Kackwetter mitgebracht 😉 Totaler Quatsch! Bei uns war bei Aufbruch richtig schönes Wetter, und so blieb es auch. Hier dagegen, zieht es sich zu und Regen setzt ein. Der Termin mit Fongs zum Fotografieren ist für Sonnabend angesetzt. War der Vormittag noch durchwachsen, beginnt es ab Mittag wie aus Kannen zu schütten. 13 Uhr werfe ich meinen Fotokoffer in den Font des Wagens und fahre die knapp zwei Kilometer bis zu „Bierkneipe zum Fongs“.Gesichter einer Szene-fongs_07
Auf Facebook sahen wir schon ein Foto, auf welchem der Wirt mit einem Schneeschieber Wasser vor der Eingangstür des Etablissements wegschob.
Noch trockenen Fußes betrete ich den Laden und wir begrüßen uns herzlich. Wir setzten uns und fangen an, über alte Zeiten zu reden. Das machen alte Männer so und uns juckt es nicht im Geringsten, würde das jemand lustig oder langweilig finden.
Wir müssen dennoch auch mal zum eigentlichem Grund meines Besuchs zu dieser Uhrzeit übergehen. Bier gibt’s erst heute Abend hier, und Schwein am Spieß (die sogenannte Fußballsau!), weshalb Fongs einen strengen Zeitplan einzuhalten hat. Nun denn. Ich frage kurz: „Fongs, im Prinzip sitzt du doch immer hier an der Stelle, wenn du eine Pause in der Kneipe machst?“ Ich weiß das seit meinem letzten Besuch hier und die Antwort ist: „yoar“. Die Stelle hier am Tisch gefällt mir, der Tresen selbst wäre eh zu unruhig gewesen und außerdem lehnt auf der Fensterbank hinter Fongs noch gemütlich eine Gitarre. Während ich das Licht setzte, hat Fongs damit zu tun, ein paar nette Helfer für die Grillaktion einzuweisen, dann geht es auch schon los. Ich mache ein, zwei Fotos bis das Licht passt, danach braucht es exakt drei Fotos, um das gewünschte Ergebnis zu haben. Fongs ist mal wieder einer der Typen, die allein durch ihre Aura ein Foto mit Inhalt füllen können. Ich bin zufrieden, und ich bitte Fongs sich noch ’ne Kippe anzustecken, woraus uns noch ein paar schicke Aufnahmen beschert werden. Fongs macht sich wieder an die Arbeit, und ich mache mich alsbald auf den Weg zurück zur Wohnung meines Sohnes. Aus unserem jetzigem familiären Unterfangen Bier zu holen und eventuell etwas Sightseeing zu betreiben, wird eine kleine Wasserodyssee im Stark- und Dauerregen.Gesichter einer Szene-fongs_08
Unsere stadtkulturelle Erkundung beschränkt sich auf die Benutzung des Personenaufzugs, rauf zum Schloß. Um wieder runter zu kommen, müssen wir allerdings warten, bis eine komplette Hochzeitsgesellschaft nacheinander den gläsernen Hubkasten zur Abfahrt benutzt hat. Aufgrund der beschränkten Anzahl von Fahrgästen, nimmt das naturgemäß etwas Zeit in Anspruch, derweil wir trotz Schirmen weiter nass werden. Hach…
Gegen Abend gilt es erneut dem Regen zu trotzen, was nur mäßig gelingt, diesmal sind meine Schuhe durch, als wir beim Fongs ankommen und mein 50mm Objektiv an der D300 möchte ob des Regens der Kamera keine Objektivdaten mehr übermitteln.
Vielleicht hätte ich sie doch nicht so offen dem himmlischen Nass aussetzen sollen. Egal, wir verbringen ein paar gemütliche Stunde beim Fongs, mit angenehmen Menschen, bis die Füße wieder trocken sind. Irgendwann ist die Zeit zum Aufbruch.
Natürlich regnet es immer noch in Strömen. Nächstes Jahr kommen wir dennoch wieder, für sein regionales Wetter kann der Erzgebirgler schließlich nix 😉

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Gesichter einer Szene-fongs_10Steckbrief:

Fongs (50) Kneiper

Fan

1980 (Neunzehnhundertachtzig!!!), im Prinzip mitten in der Geburtsstunde der von uns so geschätzten Musikrichtung, trug es sich zu, dass unser junger Freund hier, beim Blättern in der Westzeitschrift „POPCORN“, ein Foto entdeckte, welches so gar nicht zu den gemeinhin hübschen und gestylten Popstars passen mochte, die das Musikmagazin sonst ausmachten.
Drei Typen, Einer sah räudiger aus als der Andere, gemein und assi. Unter dem Foto stand noch der Bandname: Motörhead. Das hinterließ bei Fongs einen eigenartig schönen Eindruck, wobei er noch nicht wusste, was diese Motörhead darstellen sollten.
Das änderte sich, als er zwei Jahre später in der ARD beim „Musikladen“ den unbeschreiblich kultigen Auftritt eben dieser Band staunend beobachtete. Kultig weil: laut, dreckig und gemein. Kultig weil: diese Mucker ihren Unmut darüber Playback spielen zu müssen, darin äußerten, dass sie ihr Equipment am Ende des Songs einfach umwarfen, während der Song noch lief 😉 Ab dieser letzten Sekunde der Showeinlage war Fongs Motörhead Fan.
Und zwar richtig!
Zwar dauerte es noch ein paar Jahre, bis Fongs nach dem Fall der Mauer seine Heroes live sehen durfte, aber als es 1990 dann soweit war, verließ er Halsüberkopf die erzgebirgische Heimat – temporär versteht sich 😉
Im weiteren Verlauf der 90er besuchte er oft und gern das Dynamo Openair in Holland, woraus sich bis heute auch seine Lieblingsbands und Richtungen rekrutieren. Immer mal wieder Slayer, Biohazard oder Sick Of It All, aber auch Stoner Kram wie Kyuss laufen in der Anlage. Lemmys Tod hinterließ, wie bei vielen von uns, eine herbe Lücke, aber für Fongs lebt die Musik von Motörhead natürlich weiter…am besten jeden Tag!

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3 Comments

  1. drharti September 29, 2016

    Ein Erzgebirger sagt immer die Wahrheit!;-)

  2. peter September 29, 2016

    Quatsch 😉

  3. drharti September 29, 2016

    Sehr schön geschrieben,aber das schlechte Wetter hattet ihr trotzdem mitgebracht!Vor eurer Ankunft küsste die Sonne das Erzgebirge geradezu abgöttisch! 😉

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