Gesichter einer Szene No.21

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Ein altes Foto, welches hier bei mir irgendwo herum geistert, zeigt meinen heutigen Protagonisten mit einer Praktika Spiegelreflex Kamera im Schoß, daran Einstellungen vernehmend. Das war 1990. Maik wusste wohl, was er da tat, denn in unserem Telefonat – das Shooting besprechend – ließ er durchblicken, dass er schon ganz genaue Vorstellungen von „seinem“ Foto hatte. Das gefiel mir. Da das Shooting draußen stattfinden würde, und ich das Sonnenlicht nicht gebrauchen kann (ihr wisst vielleicht), beschlossen wir also den Ort erst dann aufzusuchen, wenn der Tag sich dem Ende neigt. Ich hole Maik zu Hause ab und wir fahren ca. 10 Minuten raus aus Guben um am Rande eines Ackers unser Ziel – einen riesigen umgestürzten Baum – zu erreichen. Während der Fahrt lassen sich einige wenige, klitzekleine Regentropfen auf der Windschutzscheibe nieder, und ich beruhige Maik (oder eher mich selbst) mit den Worten: „…da kommt nichts, und wenn nur gaaaanz wenig, ich habe extra nochmal nachgesehen, keine Gefahr“. Ja…. Vor Ort beginnt es etwas zu tröpfeln, kein Ding. Maik zeigt mir, wo auf dem fetten, abgestorbenen Baumstamm er zu sitzen gedenkt. Dann packt er ein Stundenglas aus, welches er dabei etwas in die Höhe halten wird. Das Ganze hat durchaus einen tieferen Sinn, über den jeder gern nachdenken kann. Jedenfalls: coole Idee! Ich beginne mein Licht aufzubauen, während der Regen plötzlich etwas an Fahrt aufnimmt. Alles kein Problem. Dachte ich. Denn jetzt geht ein ausgewachsener Landregen mit echt fetten Tropfen auf uns nieder. Während ich also am Licht drehe, und den Ausschnitt festlege, schifft es schon richtig heftig. Maik sitzt tapfer, das Stundenglas haltend, auf dem Stamm während Shirt und Shorts schon dunkle nasse Flecken zeigen, Wasser rinnt regelrecht seinen erhobenen Arm hinab. Ich muss sagen, ich hatte auch etwas Glück, das Licht saß recht schnell und die paar Ergebnisse trafen sowohl seine als auch meine Vorstellungen. Zwischen dem ersten und letzten Foto lagen exakt 4 Minuten und 16 Sekunden, verteilt auf nur 11 Aufnahmen! Andere Varianten waren unter diesen Umständen nicht mehr möglich, schnell galt es alles in Auto zu bringen, sowohl uns als auch das Equipment. Da es ja warm war, hatte ich natürlich, das Schiebedach angekippt, zwei Seitenfenster halb geöffnet und der Kofferraum stand auch offen. Selbst als wir lachend im Auto saßen, wurden wir durch das angesammelte Wasser vom Schiebedach noch nass 🙂

Wir sitzen also halbwegs trocken aber durchnässt im Auto und überlegen, ob es das jetzt gewesen ist. Wir gucken nochmal auf das Display und ich versichere Maik, dass die Fotos so sind, wie ich sie mir vorstelle und ich kein zweites Shooting dafür machen möchte. Auch weil es eben so gewesen ist, wie es ist. Auf dem Rückweg sehe ich im Rückspiegel wie die Sonne in heftigen orange/roten Farben untergeht, weshalb wir nochmal anhalten, der Anblick ist zu schön. Der Regen wird noch eine ganze Weile anhalten.

Teil zwei unseres gemeinsamen Abends sieht vor, was wir uns schon so lange vorgenommen hatten: einen Plattenabend. Also fahren wir zu mir, wo das Bier schon kühl im Kaltschrank wartet. Wir haben uns viel zu erzählen und so gesellt sich mein liebe Frau zu uns und wir lachen über gemeinsame Erlebnisse. Maik hat übrigens weder Fernsehen, Computer oder Handtelefon, nur Festnetz. Deshalb schlage ich vor, die Fotos anständig auszudrucken und ihm, zusammen mit diesem Blogeintrag, analog zukommen zu lassen. Treffpunkt wird dann bei Maik sein und darauf freuen wir uns schon.

Auf dem Plattenteller drehten sich:

Vektor – Terminal Redux

Queensryche – Condition Human

ABBA – Live At Wembley Arena

Black Sabbath – Heaven And Hell

Stern Meissen – Stundenschlag

ZZ Top – Afterburner

Billy Idol – Vital Idol (Maxi)

Accept – Metal Heart

Suicidal Tendencies – Join The Army

Saxon – Strong Arm Of The Law

Steckbrief:

Maik (51) „Reiseleiter“

Musikliebhaber

Maik ist ein absolutes Urgestein der Heavy Metal Szene in der Lausitz. Wer ab Mitte der 80er hier im Raum Cottbus Heavy Metal Fan war kam eigentlich nicht an ihm vorbei, irgendwann, lernte ihn wohl jeder mal kennen. Maik könnte man als Autodidakt in Sachen Musik bezeichnen. Als er Mitte der 70er im Auftrag seiner Mutter pflichtbewusst „Schlager der Woche“ vom RIAS auf Tonband aufnahm passierte es. Damals liefen bei „Schlager der Woche“ wirklich nur Schlager, bis auf eine Ausnahme, der vorletzte Song war immer mal was Besonderes und so lief eines Tages „Riders On The Storm“ von den Doors. Da war der junge Maik echt baff, sowas hatte er noch nie gehört. Blöderweise war der Platz auf den Bändern rar, also wurde gesiebt und Maik’s Mutter fand den Song eben scheiße, sie wollte ja Schlager hören und meinte: „…aber den machste wieder runter, nich!!?“ Ein paar Tage blieben Maik sich seinen neuen Lieblingssong einzuprägen, damals war das alles andere als trivial einfach mal so einen Song zu hören, den man ja nicht hatte und an den man eben nicht ran kam. Das war der Startschuss, von nun an wurde Musik zu Maik’s Lebensinhalt. Er baute also – ganz ohne Facebook und so – ein Netzwerk Gleichgesinnter um sich auf und man fing an Schallplatten zu tauschen und Tapes zu traden. Dabei war Maik natürlich viel und gern unterwegs, auch um Konzerte zu besuchen, denn Konzerte waren noch mal eine ganz andere Geschichte, hier konnte man Musik laut und ungehemmt genießen – hier traf sich die Szene und es wurde gefeiert. Mehr oder weniger unfreiwillig – vielleicht auch weil er als Einziger das Kursbuch der Deutschen Reichsbahn unfallfrei lesen konnte – wurde Maik also auch zum Reiseleiter. Hier spielte Maik sein Organisationstalent aus, und noch heute kann man ab und an den Ruf durch einen Klub hören: „…ach, der Reiseleiter kommt“ 😉

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