Gesichter einer Szene No. 92
Die Initiative Paul Speckman zu „Gesichter einer Szene“ einzuladen ging tatsächlich auf meinen Freund Steffen zurück, der ihm schon vor einiger Zeit davon erzählte und seine Neugier weckte. Mit diesem Wissen darum, lag es nun an mir, meine Fühler auszustrecken und mit Paul Kontakt aufzunehmen. Dazu nutzte ich das Lusatian Grimfest 2023 in Cottbus, bei dem auch Master auf dem Billing standen. Ich übergab Paul damals einen Briefumschlag mit Fotos, die ich über die Jahre von Master geschossen hatte und wir gingen zusammen durch diese Erinnerungen. Später nutzte ich die Gelegenheit zur Frage, ob die Teilnahme am Projekt etwas für ihn wäre – Paul antwortete sinngemäß: „of course, sure“.
Wir hielten an der Idee fest, dass das Protzen Open Air 2024 eine gute Gelegenheit dazu wäre und so kam es dann auch.
Schon am Freitag vor Ort sah ich mich Backstage etwas um, in der Hoffnung einen Spot zu entdecken, der mir einerseits als geeigneter Hintergrund dienen könnte, andererseits auch eine gewisse Abgeschiedenheit vom Trubel hinter der Hauptbühne und dem Hanger bot. Ich fand diesen Baumstamm und befand ihn für gut erreichbar und auch passend – zumindest eine Hürde war also genommen.
Ich wusste, wann Paul ungefähr Samstag eintreffen würde, erwischte ihn dann hinter dem Merchstand (erwischen ist hier vielleicht übertrieben, da Paul in meiner Wahrnehmung entweder dort, oder auf der Bühne steht ) und wir vereinbarten ein Zeitfenster zum Fotografieren und einem kurzen Interview.
Bis es so weit war, blieb mir noch etwas Zeit und ich baute mein Lichtstativ samt Blitzen und Lichtformer auf und sicherte das Ganze campingmäßig mit zwei Heringen und Gummibändern gegen windbedingtes Umfallen. Gegen die nun einsetzende Nervosität gab ich mir noch ein Bier bei meinen Freunden vor der Bühne – dabei die Zeit immer im Blick.
Zum vereinbarten Termin holte ich Paul von seinem Merchstand und wir gingen zum Ort des folgenden Geschehens. Ich bot Paul seinen Platz auf dem liegenden Baumstamm und checkte das Licht, während Paul sich jetzt doch etwas wegen seiner kurzen Hosen im Sujet sorgte. Ich winkte ab, kein Problem, und zeigte ihm erste Ergebnisse auf dem Display der Kamera, was bei Paul für Begeisterung sorgte und mich etwas ruhiger werden ließ.
Auch unser Interview hielt ich straff, obschon es immer wieder toll ist, mit ihm zu plaudern – für mich galt es aber, mich zurückhaltend zu zeigen, auch damit Paul wieder seinen Fans zur Verfügung stehen konnte. Paul mag in der Serie einer der bekanntesten Teilnehmer sein, aber jeder, der bereits mit ihm Kontakt hatte, mit ihm im Gespräch war, weiß, dass er eben auch einer der umgänglichsten Typen der Szene ist. Somit war es mir eine Ehre ihn dabei haben zu können, Danke.
Steckbrief:
Paul Speckmann (60) Musiker, Fan
Mit vielleicht sechs oder sieben Jahren hatte Paul seinen ersten Ohrwurm – aufgefangen über die Stereoanlage im Haus seiner Eltern: „Winchester Cathedral“ ein Song der britischen The New Vaudeville Band – einem leichtfüßigem, Popsong, welcher sich im Retro-Sound der zwanziger Jahre bewegt, und an den er sich heute noch lebhaft erinnert, dabei freilich nicht eben den kommenden musikalischen Werdegang des jungen Paul widerspiegelt
Seine Mutter hörte gern Musik wie die Carpenters, sein Vater fühlte sich unter anderem von Frank Sinatra gut unterhalten – auch bis hierher alles recht unverfänglich. Mit elf Jahren besuchte Paul mit einem Freund und dessen älterer Schwester ein Konzert der Band Chicago – einer Rockband, die zu dieser Zeit bereits etliche Hits („25 or 6 to 4“ oder „Saturday in the Park“) auf der Setlist hatten und ähnlich wie Blood, Sweat & Tears mit coolen Bläsersätzen glänzten.
Als Paul um die sechzehn war, hatten sich seine Synapsen in puncto Musik dann schon so weit ausgerichtet, dass er sich als Sänger in einer Art Coverband ausprobierte, welche sich von Songs der Bands UFO, Judas Priest, Black Sabbath oder Montrose inspirieren ließen. Allerdings, so dachte sich Paul, könnte er es ja auch mal mit einem Instrument versuchen und wandte sich dem Bassspiel zu.
Selbstredend lebte Paul zu dieser Zeit noch mit seinem älteren Bruder unter dem Dach seiner Eltern – und sie alle hassten es. Das ständige Dröhnen im Haus führte zu andauernden Diskussionen, welche dann und wann auch zum Gerangel führten
Das änderte sich allerdings, als Paul im Herbst 1983 mit seiner ersten Band War Cry die Chance hatte für Twisted Sister ein Konzert zu eröffnen, bei dem übrigens auch die bis dato ebenfalls noch recht unbekannten Queensryche(!) mit von der Partie waren. Pauls Vater hatte sich entschieden, diesem Konzert beizuwohnen – und der ganze Ärger der letzten Jahre löste sich in Luft auf und die Familie respektierte die musikalischen Aktivitäten von Paul und war stolz auf ihn.
Auf Pauls weiterem Weg finden sich musikalische Stationen mit Death Strike, Abomination, Speckmann Project und natürlich Master – und zeigen einen umtriebigen, aber auch zielstrebigen Musiker. Was neben der Musik aber wohl am meisten von seinen Fans geschätzt wird, ist seine unbedingte Hingabe zu eben diesen Menschen – seinen Fans. Paul steht wie kaum einer aus der Szene immer selbst am Merch-Stand und ist für jedes Gespräch und Foto zu haben. Ein Typ, der eben selbst Szene ist.
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