Gesichter einer Szene No.25
Ein kleines Jubiläum. Heute fotografiere ich zum 25. Mal für Gesichter einer Szene, schön, dass es mal wieder eine Frau ist, die sich bereit erklärt hat. Für einen akzeptablen Frauenanteil reicht das allerdings kaum…Schade, da muss ich dran arbeiten. Der heutige Termin genießt Heimvorteil, nachdem ich meine liebe Frau bei einer Gartenparty abgegeben habe, öhm, zu einer Gartenparty chauffiert hatte, fuhr ich zum vereinbarten Treffpunkt. Ich fahre also an der Gubener Feuerwache vorbei und halte Ausschau, sehe aber keine Chrissi. Hm, naja, ich bin locker 10 Minuten drüber, fahre um die Wache herum und, ach da hinten winkt jemand…alles gut. Wir wollen zu einem Pavillon, welcher an der Egelneiße nur zu Fuß erreichbar ist. Der Weg ist schön schattig und nicht zu weit mit Gepäck, wir beginnen schon mal mit dem Schnacken. Nebenbei sind wir gespannt, ob der Pavillon „frei“ sein wird, dort hängen gern Kids und Jugendliche ab, kurz vor dem Ziel machen wir zwei Typen aus, die Bier trinken und sich ruhig unterhalten, wie ich bemerke auf polnisch. „Dzień dobry” sage ich freundlich, obschon wir es bald halb neun haben und auch ein Gruß zum Abend passend gewesen wäre, der ist mir nur gerade nicht eingefallen 😉 Die zwei Polen grüßen offen zurück und ich frage, ob die beiden Englisch verstehen, worauf się nicken. Das freut mich und ich trage mein Ansinnen vor, und ob się uns vielleicht für eine halbe Stunde den Pavillon für eine Foto Session „überlassen” könnten. Jepp, kein Problem ist die Antwort und się packen brav ihre vollen Bier, wie auch die bereits leeren Pullen in ihren Rucksack und ziehen zwanzig Meter weiter auf ein Parkbank. Schön, wir können also beginnen. Das Dach der Holzkonstruktion und die umstehenden Bäume halten das Restlicht des Sommerabends schön ab, so das ich schnell zu meinem gewünschten Licht komme, ohne die Blitze zu sehr quälen zu müssen. Dann berate ich mit Chrissi, wo się Sitzen oder Stehen könnte, wobei wir uns auf eine Zwischenlösung – sitzend auf der Rückenlehne der umlaufenden Bank – einigen. Bevor es nun an das eigentliche Shooting geht, fragt Chrissi, ob sie ein Selfie mit mir machen könnte. Vom zukünftigem Starkult um meine Person als Starfotograf geblendet, willige ich natürlich gern ein. Und eines stelle ich gleich mal klar: Wenn ich dann Star bin, es braucht mich niemand aus diesem Zustand heraus holen! Nicht notwendig! Im Geld schwimmend werde ich bis an das Ende meiner Tage diesen Status genießen, es wird sooo toll sein! Peng! Da war er aus – der Tagtraum…pffff. Ok, Konzentration, die Fotos sollen schließlich gut aussehen. Ich zeige Chrissi immer mal wieder die Ergebnisse auf dem Display und wir sind zufrieden. Nachdem ich alles verpackt habe, überlassen wir den Pavillon wieder seiner abendlichen Bestimmung, gehen zum Auto zurück und ich hole Schreibzeug heraus. In einer recht gemütlichen Bushaltestelle sitzen wir nun noch eine ganze Weile und unterhalten uns über unsere musikalischen Vorlieben, darüber, was es ausmacht Teil der Metal Szene zu sein, und welche Wahrnehmung der arme Rest der Bevölkerung über uns manchmal hat 😉 Als die Sonne untergeht, fahre ich meine Protagonistin nach Hause, das Licht ist jetzt fantastisch, was mich erwähnen lässt, dass ich seit fast einem Jahr keinen Sonnenuntergang mehr fotografiert habe. Als ich schließlich den Rest meines Weges allein zurück lege, biege ich spontan rechts ab und fahre nur wenige hundert Meter an den Stadtrand des ländlichen Ortsteils Reichenbach, wo ich an einem Kornfeld anhalte. Das Getreide ist bereist so hoch, dass ich – um eine optimale Perspektive zu bekommen – ohne zu zögern über den Kofferraum auf das Dach meines Fahrgerätes klettere. Jetzt Blende zu, etwas unterbelichten, die Sonne durch den Waldrand blitzen lassen und die „Drittel-Regel” einhalten. Klack, Klack, Klack, Fertig. Jetzt aber nach Hause, ein kühles Pilsener und gute Musik warten bereits auf mich.
Steckbrief:
Chrissi (26) im Studium für Verwaltung und Recht
Fan
Als junger Mensch, wenn die Weichen des Lebens noch nicht gestellt sind, stehen einem ja alle Wege offen, auch musikalisch. Du kannst dich einlullen lassen, im Strom der Gleichaltrigen und Gleichgeschalteten mitschwimmen. Du kannst als junges Mädchen der Meinung sein, genau diese Boyband, die du gerade total geil findest, wird für immer dein Leben bestimmen – das Kichern der Wissenden ignorierend – wird es dein Ein und Alles. Bis du Jahre später feststellst, war für’n Arsch.
Chrissi merkte im Alter von so 10 Jahren, dass sie eins nicht möchte, langweilig den Spuk der Masse mitmachen, recht schnell reifte der Wunsch in ihr, sich abzugrenzen, sich Musik in der Form zu öffnen, dass es ihr nicht nach drei Jahren peinlich sein muss. Sie entdeckte durch die Musikkanäle der 2000er Jahre, wie sie sagt: „harte Gitarrenklänge und schreiende Männerstimmen“ für sich, das Tor stand offen, bereitwillig ging sie hindurch. Als sie dann in ihrer Heimatstadt die Cottbuser Punkband „SPN-X“ zu sehen bekam, erfreute sie sich vor allem an der Spielfreude und Authentizität der Band, und bestärkte sich darin: Richtung stimmt.
Chrissi hört am liebsten Bands, die man den Genres Nu Metal, Post Punk, Crossover zuordnen würde, nicht wenige würden sagen, Mainstream, aber was für eine Rolle spielt das, wenn es darum geht, eine gute Zeit mit Musik zu haben. Musik, die echt ist und nicht selten auch innovativ – wie einige von Chrissis Faves – wie Korn, Limp Bizkit, Rage Against The Machine, oder System Of A Down gezeigt haben. Ebenso wichtig ist Chrissi, der Zusammenhalt und die Atmosphäre innerhalb der so vielschichtigen Szene, in der sie sich sich echt gut aufgehoben und sehr wohl fühlt.
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