Gesichter einer Szene No. 65

eine Frau sitzt vor einer Holzhütte auf einer Band und blickt in die Kamera

Wie es zu meinem Besuch bei Sylvia & Uwe in Cottbus am Vorabend zu Silvester gekommen ist, hatte ich ja bereits im letzten Blogpost beschrieben, ebenso, wie ich mit Uwe begonnen habe, zu fotografieren.

Nachdem ich recht unkompliziert zu meinen Fotos gekommen bin, geht es nun daran, Sylvia ins rechte Licht zu setzen. Dazu haben wir uns gedacht, gehen wir hinters Haus in den Garten. Also raus! Es ist kühl, regnerisch, dicht bewölkt und bis Sonnenuntergang sind es vielleicht noch 20 Minuten.

Der geneigte Leser weiß vielleicht, dass ich ja im Prinzip weder Tageslicht, geschweige denn Sonnenlicht brauche, um den Look der Fotos für die Serie zu erreichen, andererseits waren die letzten Aufnahmereihen tatsächlich meist im Dunkeln, was zumindest das Fokussieren erschweren könnte. Das ist eigentlich nicht das Ding. Es ist mehr eine Kopfsache. Diese winterliche Dunkelheit hat man irgendwann satt.

Okay, wir ziehen Stiefel und Jacken an, stülpen Kapuzen über und verlassen das Haus über die Terrassentür. Uns zieht es zur kleinen Holzhütte, vor welcher eine Bank aus erbendem Material hockt, welche mir für das Foto dankbar zu sein scheint.

Uwe rückt die Bank in eine entsprechende Position, um hernach das Lichtstativ festzuhalten. Nur zur Sicherheit, denn es windet auch unangenehm.

Anfangs wundere ich mich noch, dass ich dem Blitz immer mehr Power abverlangen muss, bis ich schräg hinter mich zu meinem temporären Lichtassi gucke. Uwe hält grinsend das Stativ, der Blitzkopf allerdings zeigt in eine völlig andere Richtung.

Dafür gibt es erst mal Feuer, was bei Uwe allerdings nur zu schallendem Gelächter führt. 😉

Ich positioniere den Lichtspender neu und wir legen los.

Nicht nur, dass wir von diesem miesen Windböen gebeutelt werden, jetzt fängt es zu allem Überfluss auch noch an, zu regnen. Es ist eher so eine Mischung aus Regen und Eis, sagt man da Graupel? Vermutlich sagt man so, jedenfalls bekommen wir die nächsten Minuten einiges davon ab, es geht aber noch, sodass man fotografieren kann.

Nach einer viertel Stunde sind kehren wir mit klammen Fingern wieder in die beheizte Bude zurück. Bei einem Bier sitzen wir nun zusammen und jeder erzählt mir seine eigenen Geschichte, von denen wir durchaus einige Abschnitte zusammen erlebten.

Im Hintergrund laufen Nervosa und nach einer weiteren Stunde heißt es für mich Abschied zu nehmen.

Die beiden bringen mich noch zur Tür, draußen schifft es immer noch, die Nacht ist pechschwarz. Auf dem Weg heraus aus Cottbus, habe ich echt Mühe mich zu orientieren, so schlecht ist die Sicht.

Die Heizung kommt auf Touren, auf den Landstraßen lässt sich nun entspannter fahren, im Player Motörhead.

Steckbrief:

Sylvia (49) Angestellte im Pharmaziegroßhandel

Fan

Sommerzeit, Erntezeit. Sylvia ist um die zwölf Jahre alt und bei Oma und Opa als Erntehelfer zu Gast im Burger Land. Mit dabei sind auch ein paar Typen der Dorfjugend. Opa ist über jeden Erntehelfer dankbar, stellt ihnen ne Kiste Bier bereit und drückt auch ein Auge zu, wenn bis spät in den Morgen der Kassettenrecorder aus dem bereitgestellten Zimmer dröhnt.

Sylvia hat das Nachbarzimmer und könnte heute nicht mehr genau sagen, ob sie die Musik nun die ganze Zeit bewusst wahrgenommen hat, oder in einer Art schläfrigem Dämmerzustand. Gegen sechs Uhr allerdings ist das Band zu Ende. Nee, das geht ja nun mal nicht! Sie trottet nach nebenan und regt die schlaftrunkenen Burschen an, das Tape neu zu starten.

Bei der Musik handelte es sich um populäre Songs solcher Kapellen wie Black Sabbath, Deep Purple oder Led Zeppelin, ein klassisches Mixtape, welches allerdings einen tiefen Eindruck bei Sylvia hinterließ. Seit diesem Morgen hörte Syliva Musik mit anderen Ohren, genauer, sie ahnte, welche Musik sie in Zukunft hören wollte.

Nun, und um diese Musik zu hören und zu leben, braucht es Gleichgesinnte. Denn: was läuft im Radio, im Fernsehen, in der Disco, das wurde – auch in der DDR – bestimmt durch den Geschmack der Masse, und der deckte sich mit dem von Sylvia nun mal nicht.

In ihrer Lehrzeit nutzte sie nun also alle sich bietenden Möglichkeiten, um Metalheads kennen zu lernen. Die hatte im Zweifel neue Musik auf Tape, oder wussten, wo Live Mucke gespielt wird. Dieses Netzwerk funktionierte im damals sozialistischem Bezirk Cottbus und weiterer Umgebung ganz gut. Sylvia trampte viel, feierte und lernte so neue Musik und Menschen kennen.

Tja und heute? Vielleicht könnte man sagen, dass sich soviel gar nicht geändert hat; Sylvia besucht viele Konzerte, hört sich dort neue Bands an, trifft Freunde…außer vielleicht Trampen, das Trampen hat dann irgendwann aufgehört 😉

eine Frau steht vor einer Holzhütte und blickt in die Kamera

eine Frau steht vor einer Holzhütte und blickt in die Kamera

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