Gesichter einer Szene No.61 – am Rande der Pestbaracken-Party

zwei Männer sitzen in Korbstühlen und blicken in die Kamera

Im Steckbrief unten geht es um Martin (links im Foto)

Zum zweiten Mal lud das Team der Pestbaracke in diesem Jahr zum Konzertabend ein, wieder mit hochkarätigen Bands, wieder im Gasthaus Schleicher.

Ich kannte also den Veranstaltungsort, vielmehr, er war mir äußerst positiv in Erinnerung geblieben und so überlegte ich im Vorfeld, wie ich mir noch etwas Stress machen könnte. Von den Organisatoren war derlei nicht zu erwarten, auch wenn es kurz vor der Veranstaltung noch ein paar kleine Steine vom Weg zu schubsen gab.

Ich hatte also mit einigen Musikern Kontakt aufgenommen, um ein oder zwei Bandmitglieder für meine Serie zu porträtieren, die Bereitschaft war glücklicherweise vorhanden, der Rest lag nun an mir.

Um den Stressfaktor für alle Beteiligten gering zu halten, fuhr ich – mein Geraffel im Gepäck – mit der Eisenbahn von Guben nach Eisenhüttenstadt. So konnte ich zeitig genug vor Ort sein, und dennoch am späten Abend eine Mitfahrgelegenheit mit dem Auto nutzen.

leerer Bahnsteig

Auf dem Gubener Bahnhof steckte ich nun – nach Angabe meines Fahrzieles – meinen Fünf-Euro-Schein in den Blechkasten, welcher promt unten im Ausgabeschlitz wieder heraus kommt. Na, da hat er wohl…

Ich wiederhole die Prozedur – mit gleichem Ergebnis. Ich checke das Display, das Gerät möchte keine Fünf-Euro-Stücke, auch keine Zehn-Euro-Scheine, es möchte allerhöchstens Fünf-Euro Scheine und Münzen kleiner fünf Euro. Ja, aber… also, genauso hab ich es doch. Nochmals lasse ich mir Schein aus den Fingern ziehen, ohne Erfolg.

Der Zug wird gleich einfahren, ich bin jetzt etwas nervös. Auf dem sonst menschenleeren Bahnhof stehen noch zwei Reisende, ich frage nach Münzen, wir wechseln, ich füttere den Kackautomaten und bekomme mein Ticket…heilige Scheiße, geht es nicht EINMAL ohne Sackgang???

Im Zug beruhige ich mich, schaue aus dem Fenster und erfreue mich am Licht des endenden, sonnigen Herbsttages. Nach etwas über zwanzig Minuten erreiche ich „Hütte“.

Blick aus einem fahrendem Zug

In mir kommen einige Kindheitserinnerungen auf. Als ich klein war, sind wir hier öfters angekommen um Oma, Tante und Onkel zu besuchen, was die Erwachsenen häufig zum Anlass nahmen, eine zünftigen Party zu feiern, was wir als Kids immer cool fanden, da wir länger aufbleiben konnten 😉

Ja, danach steht mir heute Abend im Kreis von Freunden auch noch der Sinn…später.

Auto vor einem Bahnübergang

Der Trolly zieht sich nur mühsam ratternd über das klein-gestückelte alte Pflaster des Gehweges bis zum Gesellschaftshaus Schleicher, jedoch ist der Fußmarsch nach knapp zehn Minuten geschafft.

Vor dem Laden sehe ich bereits „Techi“ Maik telefonieren, er kommt auf mich zu und gestikuliert in der Art, wie: warte mal, ich brauch mal deine Hilfe.

Es fehlt eine Gitarrenbox. Ich telefoniere sogleich mit Evil, übergebe das Gespräch, sollen die beiden sich mal ausmachen, wie sie das managen, ich bin raus – aber es gibt Hilfe und das ist gut so.

Ich trolle mich ins Innere, gehe Backstage und begrüße einige Musiker und Bekannte, um hernach mit Lars von Décembre Noir meinen ersten Ansprechpartner ausfindig zu machen und zu klären, wie und wer mir „Modell“ stehen wird.

Lars meint, na ich würde schon ganz gern, aber wir können ja auch einfach den Martin gleich mit auf das Foto nehmen.

Beide? „Hm, ja“ Auf ein Foto? „Klar, warum nicht?“, stimmt, warum eigentlich nicht?

Auch Martin findet die Idee dufte, ich hole Kamera, Blitz und Stativ aus dem Backstage und es kann los gehen.

Ich kann und will natürlich nicht wer weiß wo hin mit den beiden laufen. So rege ich an, dass sich jeder einen Korbstuhl von der Terrasse schnappt, und wir hier gleich über das kleine, ausgeblühte Blumenbeet latschen um zwanzig Meter weiter vor einer Art betonierten Freilichtbühne zu stehen, die offensichtlich mit zum Anwesen des Gesellschaftshauses gehört.

Es ist nun fast dunkel, Licht gibt es hier hinten nicht, aber das stört mich nicht. Ich baue alles auf, lege die Position fest, stelle die Kamera ein, nebenher quatschen wir natürlich schon ein bisschen.

Die ersten Fotos entstehen, wir prüfen die Ergebnisse auf dem Display und können bald zum Interviewteil übergehen. Als ich die Kamera ablege, zünden sich Lars und Marin eine Zigarette an, was so aus den Augenwinkeln betrachte.

Oh, ähh, wisst ihr was? Wir sprechen jetzt darüber, wie ihr zum „Metal“ gekommen seid, und wenn wir durch sind, könntet ihr euch noch eine Anzünden, weil, das sah irgendwie cool aus und ich halte noch mal die Kamera drauf.

Gesagt getan.

In genügender Entfernung zur Terrasse, wo sich langsam die ersten Gäste einfinden, entspinnt sich ein gut halbstündiges, angeregtes Gespräch zwischen uns Dreien, was ich ob der Anekdoten und Gemeinsamkeiten in der musikalischen Entwicklung als äußerst angenehm empfunden habe.

Damit hat der Abend praktisch begonnen, wie es weiterging, erfahrt ihr im nächsten Teil.

zwei Männer stecken sich eine Zigarette an

Steckbrief:

Martin (35) Pflegeassistent

Fan, Musiker

Auch bei Martin kommt es durch Michael Jackson dazu, dass er – um die zehn Jahre alt – erstmals bewusst die Ohren spitzt. Die von einem Kumpel ausgeliehenen Kassetten wurden gern und oft strapaziert, bis sich Die Ärzte einmischten.

Auf deren kongeniale Musik, gepaart mit den spritzigen, lyrischen Ergüssen eines Farin Urlaub, fährt der junge Martin alsbald so sehr ab, dass ihm die Band bis heute ein Quell musikalischen Genusses geblieben ist.

Aber was ging dazwischen ab?

Neben den erwähnten Berliner Punks interessiert sich Martin auch für zeitgenössische Musik, die zwar im Radio lief, in ihrer Art jedoch schon recht subversiv daher kam. In jenen Tagen hörte er gern Nirvana und The Offspring, aber auch Hardcore und Techno fanden Anklang beim Heranwachsenden.

Der Kauf der Moonspell EP „2econd Skin“ markiert vielleicht den deutlichsten Schritt in Richtung Metal und weckte dabei Interesse an düsterer, gothicmäßiger Musik, wie derer von Eisregen, Das Ich, oder Type O Negative.

Hing Martin mit seinen Freunden ab, wurde Musik gehört, und ab und zu auch mal dazu mitgegröhlt, was irgendwie dazu führte, dass er sich eines Tages in einem Proberaum hinter einem Mic wiederfand. Die erste Session bei „Aeon Of Fear“ war nicht eben gleich von Erfolg gekrönt, jedoch war bei Martin eine Leidenschaft geboren. Die, selbst zu musizieren. Musik wurde für ihn nun zu einem bestimmenden Teil in seinem Leben.

Martin wirkte so in verschiedenen Bandprojekten mit, lernte nebenbei Gitarre und die befreundeten Musiker inspirierten sich gegenseitig, sowohl in musikalischer Hinsicht, als auch welche Musik man hörte, wenn man mal nicht selbst am Lärmen war.

Mit „Inner Absence“ teilte sich damals einen Übungsraum mit Décembre Noir, und dreimal dürft ihr raten, wie sich das entwickelt hat 😉

Ist Gitarrist bei Décembre Noir

Bandprojekte: Die Wilden Hengste (Coverband mit Lars von DN)

Spielte bei: Aeon Of Fear, Inner Absence, Akrasatrum, Dust Over Eden

zwei Männer sitzen und rauchen

 

 

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