SCRAM – Der letzte Gig Teil 1
…und am Ende bleibt Musik
Mein Wochenende beginnt Freitag mit einem arbeitsfreien Tag… enden wird es mit einem freien Montag. Dazwischen werden an die 45 Stunden mit den besten Freunden der Welt liegen – mit „meiner“ Band! Ein letztes Mal wollen wir eine komplette Show spielen, unseren offiziellen Abschied als Thrash Metal Band geben, ein letztes Mal Scram…
Gegen 14 Uhr rollt mein alter Nissan gen Berlin, beladen mit Fotoequipment, einem Rucksack mit dem Nötigsten und zwei Schlafsäcken. In mir mischen sich Vorfreude und Spannung. Ich überlege, wie es werden könnte, man malt sich ja immer aus wie es werden könnte, meist wird es ja anders. Das Autoradio spielt eine Spotify Liste mit meinen Lieblingssongs, es lässt sich gut an. OK, ein bisschen Sonne könnte sein, alles ist grau heute, aber wenigstens kein Regen, Regen wäre echt Scheiße. Ohne Murks erreiche ich den Scram Proberaum. Erster! 😉 Gene schreibt, es dauert wohl noch eine halbe Stunde, OK, ich warte im Auto. Es ist ja noch nicht so warm, wie es hätte sein können…Mitte März – es ist ja meistens anders. Ich checke meine News, gucke immer mal in den Rückspiegel. Nach zwanzig Minuten steige ich aus und schaue gebannt Richtung Hauptstraße, sie müssten bald kommen. Tatsächlich erscheint Gustl an der Ecke und winkt. Ich winke zurück, allerdings eher so – komm mal her, gibt was zu tragen -. Er winkt ab und lacht aus sicherer Entfernung. Ich greife also ALLES allein und gehe los, nun kommt er mir doch entgegen und möchte mir die leichten Schlafsäcke abnehmen. Der Sack!
In unserem Proberaum ist es egal ob es draußen blau, grau, weiß oder was weiß ich ist, es ist ein fetter oberirdischer Bunker. Bist du erst einmal drin, spielt das keine Rolle mehr. Kein Netz, kein Fenster, nur die Band und Musik. Ich brauchte lange, ehe ich ihn zu mögen begann. Der Raum ist gefüllt mit Lachen, die ersten Flaschen werden geöffnet. Gene hat zur Feier des Wochenendes gutes Bier ran geholt (dazu wurde nach Abstimmung der letzte Rest der immer knappen Bandkasse verhökert). Störtebecker Atlantic Ale. Es wird hernach wichtig sein, dass, O-Ton: „… unglaubliche Duftspiel aus Zitronen, Grapefruit und Melone.“, beim Rülpsen im Abgang zu schmecken…
Jeder fummelt an seinem Kram rum, die Mucker an den Instrumenten, ich am Licht, als Sänger habe ich ja eh nix außer dem Mic. Dann geht’s los. Intro – Einsetzen – verkackt – Gelächter. Na, das müssen wir noch mal üben, meine Herren! Gut, klar, dafür sind wir ja hier, ein paar Stunden sind ja noch Zeit. Wir ziehen die Setlist zweimal durch und Hell! Klingt das geil! Pause. Um diese Zeit trifft Bassist Hans ein, seine Tochter im Schlepp, jetzt sind wir komplett. Und jetzt alle! Bis auf ein zwei Songs, die wir teilweise gesondert behandeln, läuft alles echt gut. Zwischen den Songs machen wir uns Mut, dass es richtig geil werden könnte, bis wir es auch alle glauben. Oder ist es das Bier, was uns so euphorisch werden lässt? Es wäre toll, wenn es diesmal nicht anders kommt…meistens kommt es ja …anders…nicht wahr?
Die Zeit vergeht wie im Fluge und gegen 22:30 Uhr packen alle ihr Zeug ein. Gustl baut sein Rack ab und verstaut die Trommeln in den Cases. Seine damalige Softtasche für die Hardware, damals verhasst -Leiche- genannt, ist einem Flight-Case gewichen. Das Ding ist noch schwerer (logisch). ABER! Hat Rollen! YEAH!!! 😉
23.00 Uhr: Hans, Gustl und Gene sind nach Hause aufgebrochen und wir bleiben zurück. Wie jetzt? Na ja, organisatorische Umstände machten es notwendig, dass Vater und Sohn im Proberaum bleiben. Als die Idee aufkam, es so zu lösen, fanden wir sofort Gefallen daran. Übernachten im Proberaum, am Vorabend zum letzten offiziellen Konzert von Scram? Wie geil ist das denn? Jetzt sind wir Herr über die Musik, obschon es da zwischen den Bandmitgliedern eh nur kleine Differenzen gäbe. Pils uff und noch etwas labern. Aber wir müssen auch Disziplin zeigen, denn feiern können wir morgen und etwas fertig sind wir ja auch, also ab über den Gang zum Klo mit Waschbecken…Katzenwäsche. Die Musik drehen wir leiser. Sie wird die ganze Nacht laufen, genau so wie der fuck’n Lüfter. Gute Nacht.
Samstag, 9:00 Uhr
Die Nacht ist vorbei, Max hat gut auf Gene’s Luftmatratze gepennt, ich auf dem langen Ledersofa. Dennoch, ein Kopfkissen wäre nicht schlecht gewesen. Wir sammeln uns und planen den weiteren Tagesverlauf. Der sieht vor: Waschen mit kaltem Wasser, FRÜHSTÜCKEN…und auf die Jungs warten. Bis 14.00 Uhr haben wir gut Zeit, weshalb wir es ruhig angehen. Als ich mich im Waschraum Klo mit Kaltwasserbecken anständig nass gemacht habe, stelle ich fest, Handtuch vergessen. Toll. In Schlübber und Stiefel zurück das Handtuch holen, Max findet das lustig…hm.
Derart aufgefrischt wollen wir nun das Frühstück. Wir wissen nur noch nicht wo. OK, raus müssen wir dazu auf jeden Fall…bei dieser Gelegenheit gehen die Mobilgeräte wieder online…so stehen wir erst mal fünf Minuten vor dem Bunker und wischen mit Fingern auf zwei kleine, bunte Glasscheiben…faszinierend. Nach einem kurzem Weg fällt unsere Wahl auf ein grellgelb getünchtes Restaurant. Nachdem wir die außen hängende Karte studiert haben, sollte das passen. Es gibt Ei! Rührei, warme Brötchen, Marmelade und Kaffee. Wir sind allein im Gastraum und es läuft ruhige Jazz-Mucke. Was will man mehr? Denn merke: wenn es etwas gibt was Mucker echt auf die Palme bringt ist es belanglose Chart Kack Mucke!!! Wir lassen es uns also gut gehen.
Auf dem Rückweg zum Proberaum ist uns noch nach einem Kaffee to go zum – ihr wisst schon – Mitnehmen, welchen wir in einem urigen Tante Emma Fleischerladen ordern. Bevor wir dran sind, spielen sich vor uns Loriot ähnliche Szenen ab, wir können kaum an uns halten. Besonders hat uns ein an die Wand geklebtes Zitat beeindruckt, welches direkt hinter der Ladentheke an einer Säule angeheftet war: „Einen Satz trag in den Ohren, wer sich aufregt hat verloren“ 😉 Willkommen in der Service-Wüste Germany. Wieder im Bunker überlege ich vielleicht ein Nickerchen zu machen. Max will noch etwas die Gitarre quälen und den Antimensch Song durch zocken, den er heute Abend on stage mitspielen wird. Ich liege also ca. 45 Sekunden auf dem Sofa, die Mütze über die Augen gezogen, als ich reflexartig wieder die Sitzposition einnehme und dem überraschten Max eröffne: „Ach, eigentlich können wir auch ein Bier trinken.“
Wir lachen und der Kumpelöffner macht fump und die Flasche zisch. Bis wir zum Slaughterhouse fahren ist noch massig Zeit. Gustl trudelt als erster ein. Also los, packen wir, bringen wir es hinter uns! Eine halbe Stunde später trifft Gene ein und der Benz bekommt den Rest des Equipments. Kurze Zeit später düsen wir Richtung Moabit.
Fortsetzung folgt…
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