13 Jahre ARROGANZ – eine Retrospektive
Meine erste Begegnung mit Arroganz fand 2010 im Gladhouse Cottbus statt. Während der Umbaupause stehe ich da so an der Bar rum, als mich ein junger, bärtiger Mann ansprach: „Ehj, du siehst aus, als hättest du Ahnung von guter Musik!“. Verdammt, woher wusste der Typ das? Ich war natürlich geschmeichelt, dass man mir das sogar ansieht und antworte lächelnd “Stimmt”. “Dann musst’ dir das hier mal anhören“, und hält mir eine CD im Cardsleeve entgegen. Ich nehme das Teil entgegen, lese den Schriftzug „ARROGANZ“ und sage: „Cool, deine Band?“ „Yo“, ist die Antwort, gefolgt von: „Dann bekomme ich vier Euro von dir!“ Hm, ich hatte das Ding ja nun schon in der Hand, und obschon ich auf solche Art Übergriffigkeit nicht stehe, zog ich grinsend meine Börse und nestelte nach dem Gelde, bei dem Gedanken, jetzt fast zwei Bier weniger zu haben. Von wegen Promo…pfff, ich hoffte, die Scheibe ist es wert…
Das war sie – und seither habe ich die Band nicht aus den Augen verloren, vielmehr entwickelte sich eine feste Bindung zwischen uns, und ich fieberte seit jener ersten Promo CD jeder folgenden Veröffentlichung entgegen.
Das jüngst angekündigte Doppelkonzert, welches am 17. und 18. September 2021 geplant ist, ließ mich wieder an jenem Feature über Arroganz weiterschreiben, welches ich schon recht lange in der Schublade halte. Die Band feiert an dem Herbstwochenende quasi 13 Jahre Bandgeschichte, 10 Jahre “Dark And Deathless” und ein Jahr seit Veröffentlichung ihrer letzten Scheibe “Morsus”
Lasst uns diese sehr fruchtbaren Jahre Revue passieren und dazu die Band Bezug auf ein paar Fragen nehmen. Ich beginne folgerichtig mit der Demo-EP “Burning Souls” – einem Drei-Tracker aus dem Jahr 2010 – welcher mit einem direkten „ARROGAAAANZ …” Schrei in die Fresse eingeleitet wird.
- Popper: Ich vermute mal, es war pure Berechnung, den Hörer zu Beginn derart gefangen zu nehmen?
- Arroganz: Habe ich Dir wirklich vier Euro abgenommen? Eigentlich wollten wir fünf *hehe. Aber zu deiner Frage: Berechnung würde ich das nicht nennen. Aber wir wollten uns natürlich erstmal vorstellen. So wie sich das bei Jungs mit guter Erziehung gehört: „Nabend, ich bin der und der und das habe ich vor. Jetzt wisst ihr Bescheid – und wenn ihr keinen Bock darauf habt, könnt ihr euch gleich verpissen.“ So in der Art war der Song gemeint.
- Popper: Den Songs ist ja deutlich anzumerken, dass ihr keine musikalischen Novizen gewesen seid, wie habt ihr zusammen gefunden?
- Arroganz: Die Band ist in unserer damaligen Heimat Cottbus aus einer langjährigen Freundschaft zwischen unserem ersten Gitarristen -M- und mir (-K-) entstanden. Bevor die Band gegründet wurde, haben wir jahrelang unsere Leidenschaft für Musik und entsprechende Inhalte geteilt. Bevor wir uns entschieden haben, uns unter dem Banner ARROGANZ selbst zu verwirklichen, haben wir viele Jahre – seit unserer frühen Jugend – in anderen Bands und Projekten Erfahrungen gesammelt. Also ja, du hast Recht, wir waren schon vor ARROGANZ musikalisch aktiv. Jetzt, mit einigen Jahren Abstand betrachtet, war es aber damals schon unumgänglich, dass wir früher oder später unser eigenes Ding machen werden – auch wenn uns das damals noch nicht ganz so bewusst war. Die Freundschaft mit -M- besteht heute noch, obwohl er sich 2013 als aktives Mitglied aus der Band zurückgezogen hat – er gehört immer noch zu uns. Und das wird auch immer so bleiben.
- Popper: Möchtet ihr mal was zur Namensfindung sagen? Ist “ARROGANZ” als ‘arrogant’ im Wortsinne zu verstehen? Ist es vielleicht Gesellschaftskritik, Szenekritik?
- Arroganz: Überheblichkeit, Hochmut, Anmaßung – das sind ja quasi Synonyme für den Begriff Arroganz. Wir haben ihn auf philosophischer Ebene betrachtet. Und der Name passte damals schon unfassbar gut zu unseren Inhalten: Anmaßungen religiöser Institutionen, die Überheblichkeit bestimmter moralischer Apostel und so weiter. Und bekanntlich kommt Hochmut ja vor dem Fall – nur ist damit nicht unser Untergang gemeint. Heute ist der Name ARROGANZ natürlich viel mehr als nur ein Bandname. Unter diesem Banner kreieren wir nicht nur unser musikalisches Lebenswerk – ARROGANZ ist unsere Freundschaft, unser Weg, unsere Sache. Mit allen Höhen und Tiefen, die dazugehören. ARROGANZ ist fester Bestandteil von uns und unserem Leben.
- Popper: Der zweite Track zeigt schon die später bekannt werdende Sperrigkeit einiger Songs, und mit “Mankind On Fire” gelang euch gleich die erste eigene Hymne. Gibt es eine schöne Anekdote zu den ersten Aufnahmen? Wie waren überhaupt bis dato eure Studioerfahrungen?
- Arroganz: Wir haben sperrige Songs? Das höre ich zum ersten Mal – also da gibt es Prog-Combos, die machen ganz andere Sachen.
- Popper: Das wäre freilich ein abendfüllendes Thema für einen bierseeligen Plattenabend, haha.
- Arroganz: Aber gut: Wir hatten bis dahin in unseren vorherigen Projekten schon etwas Studioerfahrung gesammelt. Von daher war uns die Situation nicht völlig unbekannt. Im Proberaum hatten wir auch bereits ein paar Demos aufgenommen. Aber es waren eben die ersten richtigen Studioaufnahmen als ARROGANZ. Entsprechend waren wir voller Adrenalin und haben uns die Finger blutig gespielt und unsere Stimmbänder fast zerstört – glücklicherweise ist trotzdem etwas Hörbares daraus geworden. Unfassbar wichtig in dem Zusammenhang ist für uns, dass wir durch und wegen den Aufnahmen Timo Rotten kennengelernt haben. Das war der Start einer sehr engen und produktiven Freundschaft, die bis heute anhält. Er hat bis dato alle Alben von uns aufgenommen und abgemischt. Auch wenn er es vielleicht manchmal nicht wahrhaben will: Eigentlich ist er mittlerweile ein inoffizielles Mitglied – wenn auch nur im Studio und an den Reglern. Aber aus der Sache kommt er nicht mehr raus. Ob er will oder nicht.
- Popper: Das ist interessant, es gibt ja auch bei anderen Bands diese Konstellationen (Maiden und Birch beispielsweise). Ich greife da etwas vor, aber besteht bei allen Vorteilen nicht auch immer die „Gefahr“, dass dadurch neue Einflüsse und Sichtweisen etwas untergehen könnten?
- Arroganz: Nein, die Gefahr sehe ich bei uns nicht. Wir sind musikalisch so breit gefächert interessiert und Timo macht selbst Musik auf eine komplett andere Art und Weise als wir – ich denke, da können wir uns gegenseitig nur immer wieder pushen und austauschen. Punktuell wurde uns ja teilweise eher das Gegenteil “vorgeworfen” – wir seien hin und wieder zu experimentierfreudig.
“Dark And Deathless”(2011) – First Strike
Das bringt uns zu “Dark And Deathless”, der ersten kompletten CD. Diese wird mit “Death Of The Blessed” – getragen von einem sehr eingängigem Riff eingeleitet (bis heute mein Klingelton). Gesungen mit heiser, aggressiver Stimme von -K- bietet der Song alles, was die Band zu dem Zeitpunkt aufzufahren hat: Doublebass Attacken im Wechsel mit ruhigen Passagen, denen meist die Bassgitarre gehört und immer wieder Raserei. Ein toller Song. Neben dem schon bekannten “Mankind On Fire” reihen sich Songs ein, die sowohl im Midtempo, Highspeed als auch im Doom zu Hause sind, dabei immer mal recht schräge Gitarrenläufe und eine atemberaubende Schlagzeugarbeit. Das Frontcover erinnert an die Promo-CD, bestechend ist das schicke Weitwinkel-Foto im Booklet, welches die Band beim Saufen zeigt. 😉 Einer der Höhepunkte stellt für mich zweifellos “Hellish Hordes” dar, welches so meine ich, seitdem zum Live Standard gehört…
- Popper: …gehe ich da richtig?
- Arroganz: „hellish hordes“ haben wir tatsächlich schon sehr lange nicht mehr live gespielt. (Ich kenne mich ja echt gut aus ‘kopfkratz’ – Anm. des Verf.) Obwohl ich den Song liebe – der hat das bisher geilste ARROGANZ-Gitarrensolo meiner Meinung nach. Und ein Schlagzeugsolo. Und Riffs, Riffs, Riffs. Was will man mehr – also ich denke, da muss ich mal mit den Jungs drüber reden. Je mehr Songs man schreibt, desto schwerer wird es aber mit der Auswahl für die Live-Sets.
- Popper: Unbedingt, mach das mal – würde meine Glaubwürdigkeit auch wieder etwas herstellen … 😉 Gingen die Aufnahmen eigentlich nahtlos weiter?
- Arroganz: „dark and deathless“ haben wir etwa ein Jahr nach „burning souls“ aufgenommen. Wobei das Songwriting für das Album schon vor „burning souls“ begann. Wir haben etwa drei Jahre an dem Album gearbeitet.
- Popper: Wie waren denn die Resonanzen auf “dark and deathless”, hattet ihr irgendeine Erwartungshaltung, wenn ja, wurde sie erfüllt?
- Arroganz: Wir hatten gar keine Erwartungen. Wir haben einfach nur gemacht. Das machen wir heute noch so. Aber die Resonanzen waren überwältigend. Wir hatten in großen Magazinen und online durchweg sehr gute Reviews, womit wir überhaupt nicht gerechnet haben. Wir haben nicht mal damit gerechnet, dass sich überhaupt jemand außerhalb unserer privaten Kreise für das Album interessiert. Aber das ist uns auch viel wichtiger: Die Scheibe kam vor allem bei unseren Leuten gut an und bei Leuten, die uns musikalisch sozialisiert haben – und live hat uns das Feedback einfach umgehauen. Wir sind nach wie vor stolz auf die Scheibe.
- Popper: Zu Recht, es gibt Leute, die sehen das Werk als eure beste Scheibe an. In dem Zusammenhang wäre es vielleicht interessant, auf die im September erscheinende Vinylausgabe einzugehen …
- Arroganz: “dark and deathless” feiert dieses Jahr Zehnjähriges. Und da wir das Album damals nicht auf Vinyl veröffentlichen konnten, haben wir das Jubiläum zum Anlass genommen, genau das zu machen – neu gemastert, mit neuem Artwork und mit einem exklusiven Bonustrack namens “Lusatian grimness”.
- Popper: Ich finde es gut, dass ihr in diese Jubiläumsedition so viel Arbeit gesteckt habt. Da bin ich sehr gespannt drauf.
“Kaos.Kult.Kreation”(2013) – wahrer Kult
“Kaos.Kult.Kreation” scheint mit einer Homage an Slayer einzusetzen. Ein sehr schnelles Album, wieder durchbrochen von prägenden Doomparts. Der Titelsong bleibt schnell in Erinnerung, da der Gesang des Refrains stets unmittelbar von einem alles zerhackenden Blastbeat gefolgt wird. “Spirits Bleed” etwa kommt mit untypischem Anfang und tollem Groove daher. Mit „Praise The Kult” gibt es zum Ende der Platte noch mal einen epischen Longsong, gerade auch wegen des einfühlsamen Gitarrensolos, mit welchem der Song und damit die Scheibe ausfadet.
- Popper: Verorte ich den überwiegenden Teil der Leadvocals bereits richtig bei dir, -K-? Zeichnete sich hier bereits ein Wechsel an der Gitarre ab?
- Arroganz: Richtig, die Vocals auf dem Album habe ich im Wesentlichen übernommen. Während der Entstehung des Albums deutete sich der Lineup-Wechsel aber noch nicht an. Das war eine sehr intensive und ereignisreiche Phase – auch privat. Mit „kaos.kult.kreation“ nahm vor allem der Einfluss unseres Drummers -T- auf das Songwriting zu. Im Vergleich zu „dark and deathless“ sind die Songs etwas straighter. Deswegen spielen wir auch heute noch viele Songs von diesem Album regelmäßig live. Die Release-Show zu „kaos.kult.kreation.“ war zugleich das letzte Konzert mit -M- an der Gitarre.
“Tod & Teufel”(2014) – die progressive Phase
“Tod & Teufel” folgte dem zweitem Longplayer nach etwas über eineinhalb Jahren. Zudem stand ein Wechsel von Blacksmith Records zu FDA Records (damals noch FDA Rekotz) an.
Das Album erscheint mir nun, beim retrospektivem Durchhören von Arroganz’ Backkatalog, als jenes Album, welches die meiste Aufmerksamkeit von den Hörern fordert. Viele der Songs, gerade auf den B-Seite, sind ziemlich vertrackt und die Gitarrenläufe bilden sich aus Tonleitern und Rifffolgen, um dann heftige Stakkato zu spielen – schönes Beispiel dafür: “All Light Is A Lie”. Der Titelsong mit garstigem Gastgesang von Gref Grf (Antimensch) stellt vielleicht am ehesten eine Verbindung zu den früheren Scheiben dar, während mich “Alles” – der letzte Song – beim ersten Hören wirklich verstört zurückgelassen hat, dann aber schnell zu einem absoluten Fave dieser Platte wurde – echt sick!
- Popper: Warum die Eile? Gab es durch das neue Label organisatorische Gründe, oder seid ihr vor Tatendrang fast geplatzt?
- Arroganz: Es gab überhaupt keine Eile. Wir schreiben kontinuierlich an neuem Material – damals wie heute. Das heißt, schon als wir mit dem Songwriting für „kaos.kult.kreation“ fertig waren und das Album noch nicht einmal aufgenommen war, haben wir schon an neuen Ideen gefeilt.
- Popper: Könnt ihr rückblickend noch sagen, was euch dazu bewogen haben mag, “Tod & Teufel” so klingen zu lassen? Spielt vielleicht -P- , euer damals neuer Gitarrist, hierbei eine Rolle?
- Arroganz: Während wir Songs schreiben, haben wir meistens schon eine bestimmte Vorstellung vom Sound. Jede Scheibe von uns klingt anders – sowohl vom Songwriting, als auch vom Sound her. Der Sound muss den Song beziehungsweise das Album tragen und die Aussagen unterstützen. -P- hatte mit Sicherheit auch einen Einfluss auf das Soundbild von „Tod & Teufel“ – allein sein Spielstil unterscheidet sich merkbar von dem von -M-.
- Popper: Zudem frage ich mich, welche Songs dauerhaft in eurer Setlist geblieben sind, der Titelsong?
- Arroganz: „one death“ haben wir seit dem Release von „Tod & Teufel“ glaube ich bisher immer gespielt. Aber auch der Titelsong, oder „demons heart“, „arisen from failure, perished as king“ oder „intoxicate“ waren sehr oft im Set. (ich hätte auf jeden Fall mehr Setlisten klauen sollen … Anm. d. Verf.) Aktuell haben wir auch wieder „guilty“ auf der Liste. Ehrlich gesagt, würde ich gerne auch mal wieder das ganze Album in voller Länge live spielen. Das haben wir bisher aber erst einmal und zwar zur Release-Show des Albums gemacht. Eine Tradition, die wir versuchen, bei jeder Album-Veröffentlichung beizubehalten. Aber wie gesagt: Mit jedem Album mehr, wird die Auswahl der Songs für die Setlist immer schwerer.
“Primitiv”(2017) – zurück zu offenen Sounds
“Primitiv” wird durch das zu Beginn sehr schnelle “Pilgrim” eröffnet, zu dem ARROGANZ auch ein kongeniales Video produzierten, welches ganz klar die Verbundenheit der Band zur Underground-Szene widerspiegelt. Das Songwriting der vierten Langspielplatte fällt 2017 deutlich geradliniger aus, als auf dem Vorgänger. Bei “Obliviate” schimmert ein Hauch Asphyx durch die musikalisch dicke Haut, und beim kurzen B-Seiten Opener zieht das Tempo mit anständig Speed an. Diese wieder entdeckte Offenheit im Sound steht der Band ungemein gut. Arroganz’ Markenzeichen, das Pendeln zwischen Doom und Speed, sind präsent wie eh und je, jedoch eingängiger, dabei natürlich alles andere als leichte Kost oder gar Mainstream zu sein.
- Popper: Öhm, was ich schon immer fragen wollte: Ist das Layout, vielmehr die Farben und Kontraste der Schrift im Klappcover ein Unfall? Vermutlich nicht, denn bei der nachfolgenden EP ist ähnlich nur alles zu erahnen. Jetzt erklärt euch mal!
- Arroganz: Du meinst die dunkle Schrift?
- Popper: Jepp, ganz genau.
- Arroganz: Nein, das ist kein Unfall. Das ist Absicht. Da muss man sich eben mal eine Kerze mehr neben den Plattenteller stellen und in Ruhe mitlesen.
- Popper: Guuuuuut! 🙂 (…und es funktioniert tatsächlich) Aber was hat es denn mit der erwähnten “Kirche des wiedererwachten Sinns in Elsterberg” auf sich, ein simpler Aufnahmeort für Musik, Video? Oder Stätte okkulter Handlungen seitens der Band?
- Arroganz: Das ist das Studio unseres Freundes Hazy von Grober Knüppel. Dort haben wir „primitiv“ und „erzketzer“ aufgenommen. Übrigens ist er mit „cortége“ auch auf der Platte vertreten. Auf dem gleichen Song ist auch Dreier von Purgatory zu hören. Dass das geklappt hat und wir die beiden zusammen auf einen Song bekommen haben, bedeutet uns sehr viel. Hazy ist für uns durch sein Wirken bei Lemming Project und Sons Of Tarantula schon eine Art Legende. Genauso wie Dreier. Und Purgatory haben auch eine Verbindung zu Hazy. Meines Wissens nach waren sie mit die ersten, die die Sons bzw. Lemming Projekt Anfang der 90er-Jahre in den Osten eingeladen haben. Und auf eine gewisse Art und Weise schließt sich da der Kreis auf dem Song wieder. Weil du „obliviate“ erwähnt hast: Auf dem Song ist unser Freund Johan Jansson aus Schweden zu hören – auch eine Legende für uns. Die meisten kennen ihn wahrscheinlich von Interment, Demonical, Centinex oder Asocial. Wir haben ihn 2011 auf unserer Tour mit Demonical kennengelernt und stehen nach wie vor in Kontakt. Ein Bomebentyp! Also auch was Features angeht, hat „primitiv“ für den Underground-Connaisseur einiges zu bieten.
“Erzketzer”(2018) – Teil II einer Triologie
Die drei Tracks umfassende EP “Erzketzer” beginnt mit einem Schlagzeugintro und sollte auf 45 Umdrehungen abgespielt werden, ein Umstand, den ich jedes Mal vergesse. Liegt die richtige Geschwindigkeit an, wird aus dem titelgebenden ersten Song eine fixe Nummer. In “By Glowing Chains” variiert die Musik zwischen groovenden Midtempo und schnellen Passagen und beinhaltet einige echt coole Riffs. Das trifft auch auf das gut zehnminütige “As Furious Wings Cast Long Shadows” der B-Seite zu – dazu werden hier jedoch gerade einige der Basspassagen fein ausgearbeitet und mit speziellem “Wah-Wah”- und/oder Zerr-Sounds versehen, was echt geil klingt.
- Popper: Zunächst mal die ketzerische Frage, ob die EP eine Art Erweiterungspack darstellt – “Erzketzer” erschien bereits ein Jahr nach “Primitiv” und ein Zusammenhang scheint durch das Layout ja eindeutig gegeben.
- Arroganz: „erzketzer“ ist der zweite Teil einer Art Trilogie, dessen erster Teil „primtiv“ ist. Die musikalische und inhaltliche Fortsetzung sozusagen. Das haben wir – zumindest in den ersten beiden Teilen sehr eindeutig – auch das Artwork widerspiegeln lassen. „Erweiterungspack“ trifft es nicht, meiner Meinung nach. Denn EP und Album sind zwar miteinander verbunden, aber stehen auch für sich und haben einen geschlossenen Rahmen. Wer den Rahmen aufbrechen will, kann beide Scheiben – beziehungsweise mit „morsus“ als dritten Teil, alle drei Scheiben – hintereinander hören. Wer aufmerksam ist, wird in Texten und Musik die Zusammenhänge erkennen.
- Popper: Auch der Sound trägt den Charakter von “Primitiv”, habt ihr das Material für “Erzketzer” in einem Rutsch aufgenommen?
- Arroganz: Das ist richtig, wir haben „primitiv“ und „erzketzer“ direkt hintereinander aufgenommen. Das hat sich relativ kurzfristig ergeben, weil wir mit dem Songwriting für „erzeketzer“ schneller fertig waren als ursprünglich gedacht. Trotzdem haben wir „erzketzer“ etwas anders abgemischt – das haben die Songs verlangt.
“Morsus”(2020) – Evolution
Mit “Morsus” eröffnen ARROGANZ sich selbst und natürlich auch dem Musikfan eine neue Stufe ihrer Entwicklung. “morsus” könnte man ebenso wie “Tod & Teufel” als progressiv bezeichnen – aber eben anders als damals. Die Songs sind klar strukturiert, die Band experimentiert jedoch mit elektronischen Effekten und Soundkollagen, was für eine sehr dichte Atmosphäre sorgt, die bisweilen kafkaesk auf den Hörer wirkt. Das Album wird zu Beginn und Ende durch zwei gesprochene Passagen eingefasst, dabei jedoch zwei unterschiedliche Sichtweisen darstellend:
“Schmerz ist mein Leben Ich reiche ihm die Hand Er reicht mir seine In der anderen hält er die Klinge Er schaut mich an – und sticht zu”
“Er reicht mir die Hand Ich reiche ihm meine In der anderen halte ich die Klinge Und schaue ihn an”
Neben dem Titelsong bilden für mich “Sleepless Forever”, “Aurora Arroganz” (neue Live-Hymne?) sowie “Sickpeopledie.” die stärksten Nummern auf “Morsus”, dem wohl bisher ausgereiftestem Album der Band.
- Popper: Ist “Morsus” das Resultat von gezielter Weiterentwicklung des ARROGANZ Sounds, oder wolltet ihr einfach mal neue musikalische Aspekte einfließen lassen? Und ist “Aurora Arroganz” vielleicht tatsächlich eine neue Live-Hymne? Welche Rolle spielt beim Arroganz- Songwriting die Livetauglichkeit eurer Songs?
- Arroganz: Es ist eine Weiterentwicklung – klar. Das soll jedes Album von uns auch sein. Wir werden uns nicht wiederholen und das gleiche Album nach Schema “F” immer und immer wieder schreiben, nur weil es grad gut ankommt. Diesen Quatsch überlassen wir anderen. „Gezielt“ würde ich diese Entwicklung aber auch nicht bezeichnen. Wir machen das, wonach uns ist. Die Songs sollen das ausdrücken, was wir ausdrücken wollen. Alles andere kommt danach. Deswegen spielt die Live-Tauglichkeit während der Entstehungsphase eines Songs auch überhaupt keine Rolle. Der Song soll so werden, wie er selbst es verlangt. Ob er dann live „funktioniert“, wird schlussendlich ja auf der Bühne entschieden. “morsus” ist unser persönlichstes Album bisher. Der gesamte Entstehungsprozess war extrem aufreibend, kräftezehrend und durchaus emotional – neben der musikalischen Weiterentwicklung ist der persönliche Inhalt die Essenz des Albums. Ich kann es kaum erwarten, die Songs endlich regelmäßig live zu spielen.
- Popper: Euer Cover erschließt sich diesmal erst nach genauem Hinsehen. Wie schon Celtic Frost bei “Into The Pandemonium”(1987) habt ihr Fragmente aus Bildern von Hieronymus Bosch verwendet, wobei ihr sie in einer Art Kaleidoskop gestalten ließet. Ich habe durchaus versucht herauszufinden, um welches Werk es sich handelt, es leider nicht ausfindig gemacht. Jedoch ist mir dabei aufgefallen, wie sehr die Werke von Hieronymus Bosch geradezu prädestiniert für Texte und Musik eurer Art zu sein scheinen. Habt ihr euch damit einen Herzenswunsch erfüllt?
- Arroganz: Wir haben für den dritten Teil auch visuell eine Art Auflösung für die Inhalte gesucht. Hieronymus Bosch kam uns dafür erst relativ spät in den Sinn, obwohl wir seine Gemälde schon immer gefeiert haben. Manchmal liegen die Dinge so nahe, dass man sie nicht direkt sieht. Seine obskuren Ideen und seine Detailverliebtheit sind schon einzigartig. Die Zusammenstellung war sehr aufwendig. Wir wollten für jeden Song ein entsprechend passendes Artwork. Am Ende hat es sich aber voll und ganz gelohnt.
- Popper: -K-, du beherrschst ja auch das Saxophon. Wird das mal eine Rolle spielen bei einem zukünftigen Song? Da ich in letzter Zeit oft mal die Scheiben der Urkainer White Ward auflege – bei denen das Sax schon eine gewichtige Rolle spielt – würde mich die mögliche Konstellation bei euch natürlich auch interessieren.
- Arroganz: Darüber machen wir uns tatsächlich schon seit unseren Anfangstagen Gedanken – möglich ist es definitiv. Aber bisher entstand noch nicht der passende Song. Wir werden nicht einfach Dinge machen, nur weil wir sie können – auch hier muss es dem Song dienlich sein und seine Aussage unterstreichen.
- Popper: Du sprachst vorhin davon, dass ihr darauf brennt, die neuen Songs endlich wieder live zu spielen. Bevor Du vielleicht auf euer Jubiläumskonzert eingehen möchtest, welches in wenigen Tagen stattfinden wird, die Frage: Wie wichtig ist es euch, eine Konnektivität zum Publikum zu bekommen oder herzustellen? Seht ihr da regional Unterschiede wenn ihr auf Tour seid?
- Arroganz: Konkrete regionale Unterschiede möchte ich da nicht definieren. Es gibt überall kranke Maniacs, Leute mit Herzblut, die auch gerne mal auf die Kacke hauen, genauso wie es überall auch eher zurückhaltende Leute gibt. Klar, eine Verbindung zum Publikum ist immer eine tolle Sache. Das funktioniert mal mehr mal weniger. Das hängt natürlich von verschiedensten Faktoren ab. Aber so oder so: Selbst wenn “nur” bei einem Besucher der Funke überspringt, bedeutet das viel für uns. Wenn wir auf der Bühne stehen, machen wir da auch keinen Unterschied, ob fünf Leute da sind oder 500 – wir genießen jeden Moment, jede Note, jeden Anschlag auf der Bühne. Das wird auch beim Jubiläum der Fall sein. Auch wenn wir jetzt durch einen kurzfristig Locationwechsel zwecks Corona wesentlich mehr Vorarbeit, Zeit und Geld in die Sache stecken müssen und das Ganze ein kleines organisatorisches Experiment wird, freuen wir uns unfassbar auf das Wochenende. Unser traditionelles alljähriges Cottbus-Konzert konnte letztes Jahr ja nicht stattfinden, entsprechend fehlen uns die Jungs und Mädels aus der Lausitz schon etwas. Außerdem haben wir ja einige Freunde eingeladen: Endstille, Purgatory, Goath, Bitchhammer, Infest und Verderver. Die Jungs mal alle zusammen an einem Ort zu haben, ist schon ein Highlight an sich. Wir werden sowohl freitags als auch samstags spielen: zwei komplett unterschiedliche Sets. Am Freitag spielen wir ausschließlich Songs aus der ersten Hälfte unserer Diskografie, mit Fokus auf “dark and deathless”. Das zweite Set besteht aus neueren Songs, mit Hauptaugenmerk auf “morsus”.
- Popper: Es mag etwas gegen meine Natur sein, jetzt kein Schlusswort anzuhängen. So möchte ich mit einem simplen, wie passendem Songtitel der Band enden:
PRAISE THE KULT!
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