Gesichter eine Szene No.70
…wie alles begann
Die Bekanntschaft mit Anke zu machen, würde ich schon in eines dieser Ereignisse einordnen, die etwas Besonderes an sich haben. Zumal ich diese Bekanntschaft nicht alleine machte.
Damals – vor etwa eineinhalb Jahren – ging es mir zunächst darum, ihren Mann für Gesichter einer Szene zu fotografieren. Das wollten wir sonnabends auf den Frostfeuernächten machen, Freitag Abend lernten wir uns schon mal kennen.
Naja, und dieses Kennenlernen betraf nicht nur mich und Steffen, mit dabei waren meine Liebste und eben Anke. Und an jenem Abend, an dem wir uns bei einigen Kaltgetränken gegenseitig über unsere Leben erzählten, wurde jedem von uns klar, dass dies der Beginn einer außergewöhnlichen Freundschaft werden könnte.
…der stete Tropfen höhlt den Stein
Und so trafen wir uns dann ziemlich regelmäßig alle zusammen auf Konzerten und Festivals, erzählten uns neue Geschichten über uns, obwohl wir meinten, uns schon ewig zu kennen.
Natürlich versäumte ich es nicht, auch Anke darum zu bitten, in der Serie mitzumachen. Anke wäre aber nicht Anke, wenn sie mir vor lauter Freude – in Anbetracht dessen im Rampenlicht zu stehen – um den Hals gefallen wäre. Mitnichten. Vom ersten zaghaften Nachfragen bis zu einem klaren Termin vergingen schon ein paar Monate, respektive Treffen. Und natürlich habe ich dafür Verständnis, das konnte und wollte ich aber bei ihr nicht gelten lassen 😉
…der Plan, und was daraus wurde
Anke lebt Metal, und das am liebsten auf Konzerten, was lag also näher, dies in ihr Foto einfließen zu lassen? Nach einem Brainstorming zu Weihnachten im Muggefug stand fest: Das Foto könnte entstehen: aber nicht im Winter (zu kalt), schon eher im Sommer auf einem Festival, und bei einer Umbaupause vor einer Festivalbühne. Das war der grobe Plan. Diesen Plan wollten wir auf dem Chronical Moshers 2018 umsetzen.
Und so trug jeder von uns so seine Bedenken mit sich herum, die ihren Ursprung darin haben mochten, dass wir beide eigentlich lieber ohne ein paar Leute drumherum fotografieren würden wollen. Aber zu erwarten, dass mal keiner mit einem Bier in der Umbaupause im CM-Zelt steht, war utopisch.
…wenn dir die Natur zu Hilfe kommt
Unser gemeinsam aufgebauter Campground lag in diesem Jahr auf dem Chronical Moshers aus Gründen ganz anders als ein Jahr zuvor. Die Lage war dennoch hervorragend, brachte es jedoch mit sich, dass wir immer, wenn wir von unseren lieb gewonnenen Campingstühlen und dem Dosenbier zur Mucke ins Musikzelt wollten, durch einen hochgewachsenen Tannenwald gingen.
Von der Existenz dieses Waldweges hätten wir schlicht nichts mitbekommen, hätten wir an der Stelle des letzten Jahres kampiert. Wir waren begeistert von der Stattlichkeit der Bäume, die im Besonderen auf Anke – hervorgerufen durch einige jüngste Erlebnisse in der Natur – eine ganz eigene Anziehung ausübten.
Wir hatten den Wald am Freitag noch keine dreimal durchschritten, da war es beschlossene Sache: das Foto wird in jenem Wald entstehen.
…Blitz und Donner
Nach unserem ersten tollen Festivaltag, der ganz gut geschlafenen Nacht, dem gemeinsamen Frühstück und der ersten Dose Pils, gehen wir an die Tagesplanung. Welche Bands dürfen wir auf keinen Fall verpassen, wann schieben wir den Fototermin ein. Die Wahl fällt auf Mittag. Im Wald sind wir eh gut geschützt vor Sonne, so sie dann noch da ist.
Die ersten Wolken türmen sich hoch auf, als wir mit mittelschwerem Fotogedöns in den Wald aufbrechen. Der Waldweg ist ungefähr 200 Meter lang, wir gehen bis zu Hälfte, wo ich mit Anke tags zuvor schon ein paar Bäume ausgesucht hatte, die für das Foto im Frage kommen.
Anke darf bereits auf dem moosgrünen Waldboden vor einem Baum mit ausladendem starken Stamm Platz nehmen während ich das Licht zusammen schraube. Meine J. und Steffen stehen etwas abseits, scharren mit den Füßen im Waldboden, quatschen und verscheuchen allzu neugierige Schaulustige
Mein Blitz erhellt den gewünschten Bereich um Anke, hingegen der Wald sich dunkel zeigen darf. Die Ergebnisse zeige ich Anke auf dem Display, wir drehen noch etwas an der einen oder anderen Pose und nach zehn Minuten haben wir‘s. Ich drehe mich zu den Begleitern um und verkünde: Wir sind dann fertig. Mit verstummen meiner letzten Silbe löst sich ein erster kräftiger Donner, was Steffen mit einem süffisantem: „…und mit einem Donner war alles vorbei“ kommentiert.
Nur nicht so schnell! Bleibt doch noch, es ist so schön. Ich bitte die drei noch zu einem Freundschaftsfoto, dann packen wir zusammen.
Es wird nicht lange dauern, dann beginnt es zu regnen, erst normal, dann stark. Unser Camp bietet uns Schutz, und da jetzt sowieso noch nicht viel los ist vor der Bühne, verlieren wir uns wieder in eine dieser angenehmen Gesprächsrunden, begleitet von herzhaften Lachen und ein paar Dosen Bier.
Steckbrief:
Anke (46) Angestellte
Fan
Die meisten Menschen in unserer Szene, die Anke kennenlernten, dürften das Gefühl bekommen haben, Anke lebt unsere Musik bereits ihr ganzes Leben. Und das ist gut so. Dennoch ist es etwas anders verlaufen, dieses Leben, und die Musik, welche Anke begleitete.
Als Anke 12 Jahre alt wurde, bekam sie einen Kassettenrecorder geschenkt. Und zwei Kassetten, bespielt mit Musik, die ihr großer Bruder gut fand, größtenteils Rockmusik, à la Rolling Stones, sowas eben. Kurze Zeit später verließ ihr Bruder das Heimatland Richtung Westen. Es blieb freilich Leere an jener Stelle, aber auch ein Zimmer mit Plattenspieler und Schallplatten.
Das junge Mädchen hörte sich nun durch die zurückgelassene Sammlung, wobei sie der Amiga Pressung der „Highway To Hell“ von AC/DC die wohl meiste Aufmerksamkeit zuteil werden ließ.
Eine Aufmerksamkeit, die ich nachvollziehen kann, bei mir war’s ähnlich. Und doch markiert es nicht den Startschuss zum Metalmaniac.
Dazwischen schoben sich Alben von Bruce Springsteen, den Toten Hosen, den Ärzten und ein Typ, mit dem sie fortan zusammen lebt. Dieser Typ wiederum bringt beste Voraussetzungen mit sich, denn er ist Metalfan.
Davon allerdings möchte Anke nichts wissen. In ihrer Wahrnehmung sind diese ganzen Metalbands mit Sängern besetzt, die hysterisch hohe Kopfstimmen haben. Und ja, das gibt’s 😉
Wenn schon hart, dann so Rammstein oder Knorkartor, oder vielleicht geht da noch was?
Zunächst verlangt die gegründete Familie der beiden ihre volle Aufmerksamkeit und Hingabe, Anke und ihr Mann haben in diesen Jahren eher wenig Zeit, sich mit Musik zu beschäftigen. Später erlauben es die Umstände dann, auch wieder ein wenig mehr an sich zu denken.
Weshalb Anke ihren Ehemann mit zwei Eintrittskarten zu einem U.D.O. Konzert beschenkt, welchem sie selbstredend beiwohnt um festzustellen: Das ja geil! Und das, obschon Udo nicht eben mit tiefer Stimme singt!
Für Anke ändert sich aus Gründen nun einiges. Die beiden besuchen nun viel öfter Konzerte, ihrem Mann wirft sie vor, sie nicht schon viel eher mit „seiner“ Musik vertraut gemacht zu haben Im letzten Jahr gab es wohl im Osten der Republik kaum ein Metal Festival, welchem sie nicht beiwohnten.
In den letzten Jahren holt Anke unheimlich viel auf. Ihre musikalischen Vorlieben konzentrieren sich vor allem im Death-, Black- und Thrash-Metal, dabei sie immer auch die eher unbekannten und „kleinen“ Bands in ihren Fokus rückt. Das faszinierende dabei; sie bildet sich zu jeder gehörten oder gesehenen Band eine Meinung. Eine Eigenschaft, die ich sehr an ihr schätze.
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