Vader & Hate – Polnischer Death Metal live im Wohnzimmer
So richtig glauben wollte ich es ja anfangs nicht, dass die polnischen Death Metal Urgesteine VADER und die nicht minder bekannten HATE mit drei weiteren Bands im Cottbusser Muggefug ein Konzert geben wollten. Also ja, technisch alles kein Problem, eher entspannen sich in meinem Kopf Szenarien darüber, wie das in so einer kleinen Hütte laufen soll. Der Gedanke, Bands dieses Kalibers auf so einer Minibühne wie derer im “Mufu” sehen zu können – einer Bühne die gerade mal um die 20cm hoch ist – einer Bühne, vor der die Besucher gemeinhin unmittelbar vor den Musikern moshen, jubeln und Bier trinken… irgendwie alles sehr surreal.
Ich beziehe die Tickets über den eigens vom “Mufu” eingerichteten Service von Eventim und harre der Dinge, die da nun kommen sollen. Einige Tage vor dem Konzert ordere ich für meinen Freund Paweł von Deathstorm und seinen Kumpel Mirek noch zwei Karten nach, wir reisen somit zu viert nach Cottbus.
Das Konzert liegt auf einem Sonntag, dafür beginnt es deutlich zeitiger als gewöhnlich, der Einlass ist auf 15:30 avisiert, das Ende zu 21:00 Uhr. Soweit ist das alles super, zudem J. und ich eh gerade Urlaub haben. Allerdings waren wir am gestrigen Sonnabend auf Evil’s Plattenparty™, wo ja nun nicht eben nur Musik gehört wird 😉 Wir fühlen uns dennoch recht fit, und die Rolle des Fahrers hat Paweł übernommen, was ich sehr schätze.
Da Paweł und Mirek erst zu 16 Uhr bei uns sein können, um uns abzuholen, werden wir die erste Band verpassen. Wir sehen das nicht so tragisch, obschon uns berichtet wird, THE NOCTAMBULANT aus Florida zogen mit ihrem melodischen Black Metal in diesem Billing etwas ungewöhnliche Klänge auf, und fanden damit durchaus Zuspruch.
Zu dieser Zeit sind wir noch unterwegs. Beim Einstieg in das Auto wundere ich mich über diese Kaffeekanne auf dem Rücksitz, in der es ungewöhnlich klappert. Wir sind keine drei Minuten unterwegs, als Mirek J. bittet, doch mal das Fläschchen Whisky aus dem Rucksack zu ziehen, dazu zwei Gläser und Cola. Hernach wird im schunkelndem Gefährt Cola-Whisky gemischt, die Eiswürfel dazu befinden sich in eben jener Kaffeekanne. Von wegen in Polen trinkt man am liebsten Vodka 😉
Bei Ankunft spielen gerade die Bulgaren GRIMAZE. Auf dem Parkplatz und vor dem Club lungern Langhaarige herum, im Hof des “Mufu” steht ein Nightliner, auf welchen bisweilen respektvoll mit dem Finger gezeigt wird. Wir begrüßen einige Freunde und Bekannte, ich lasse am Einlass die E-Ticktets abscannen und dann ist es auch schon Zeit für das erste Bier. So reihen wir uns ein, und sehen uns die Band – welche recht groovigen Death Metal zockt – noch bis zum Ende an.
In der sich bietenden Umbaupause installiere ich einen Blitz an ein Gestänge in Bühnennähe, checke kurz die Funktion und frage “Gahlen Moscht”-Lars, ob es ein Problem ist, mein Geraffel ins Backstage zu legen. Normalerweise muss ich nicht fragen, aber wir haben hier schon Oberliga-Bands am Start, und wer weiß… die Antwort fällt erwartungsgemäß aus: “Peter, was willst du? Wir sind hier im Muggefug, also pack dein Zeug da hin, wo du hinten Platz findest.” Sag ich doch 🙂
Ich ziehe mir ein Frischbier und gehe vor die Tür, wo angeregte Gespräche und gute Laune im Gange sind. Wir verschnacken uns etwas, so dass ich von THY DESEASE (ebenfalls aus Polen) nicht allzu viel mitbekomme.
In der nun folgenden Umbaupause steigt merklich die Spannung unter den Gästen. HATE werden als nächstes die Bühne entern. Die fünf Bands der “Message To The North Tour 2019” sind jetzt seit knapp drei Wochen unterwegs und Cottbus markiert den Endpunkt einer Tour, die die Musiker über Litauen, Lettland, Estland, Finnland, Schweden, Dänemark, Norwegen in 17 Städten hat spielen lassen.
Bei Intonation des Live-Intros kommen die Musiker nacheinander auf die kleine Bühne, ich drücke – direkt vor der linken Box stehend – ab und an auf den Auslöser der kleinen Fuji, gebe mich aber ansonsten in den folgenden drei/vier Songs ganz der Musik und der Band hin. Später hole ich meine “Konzertkamera” aus dem Backstage und versuche dieses krasse Treiben einzufangen. Trotz ihrer recht grimmigen Bemalungen, lassen sich bei den Hate Muckern immer auch mal rührige Emotionen erhaschen. Die Band drückt ohne Ende und ich fotografiere bis zum Ende, sodass ich nicht einmal genau sagen könnte, ob einer meiner Faves “Quintessence Of Higher Suffering” gespielt wurde.
Bei tosendem Beifall wird die Band von der Bühne gelassen, ein geiler Gig. Einzig die Frage bleibt, warum Hate kein eigenes Backdrop aufgehangen haben. Keine Lust? Vielleicht war es ja auch zu groß 😉
Da ich gern ein Druchgerockt-Foto der Band machen möchte, begebe ich mich Backstage. Vader sind gerade dabei, sich für den Auftritt fertig zu machen, während Hate ihren Kram hin und her schleppen. Ich drücke mich mit dem Rücken an eine Wand und beobachte fasziniert, wie das alles von Statten geht. Gitarren werden gestimmt, Haargummis entfernt und die Matte gebürstet, Bühnenoutfits angelegt und bequemeres Schuhwerk weicht schweren nietenbesetzten Stiefeln.Es wird gescherzt (natürlich in Polnisch) und während ich bei Vader diese positive angespannte Stimmung vor dem Gig bemerke, scheint eben diese Anspannung bei Hate einer sichtbaren Zufriedenheit gewichen zu sein.
Piotrs rote RAN Flying V wartet geduldig auf ihren Einsatz, und ich bemerke, es ist dieselbe Gitarre, mit der er vor 10 Jahren Vaders Auftritt in Gubin (beim polnischem Darkside Festival) bestritten hat – zu erkennen an den mit schwarzem Gaffa abgeklebten Ecken, die nun nach zahllosen Einsätzen noch deutlicher zerschunden sind 😉 Er scheint gern mit dieser RAN zu spielen.Sehr zurückhaltend, fast unmerklich, mache ich einige wenige Aufnahmen, ich bin hier schließlich nur geduldeter Hangaround.
Schließlich gehe ich auf Adam zu und frage wie es mit einem Foto aussieht. Wir wollen warten, bis Vader auf dem Weg zur Bühne sind, was ich bei dem Gewusel gerade ebenfalls sinnvoll finde. Es entspinnt sich bis dahin noch ein kurzes Gespräch, in dem Adam durchblicken lässt, dass Hate mit der dreiwöchigen Tour sehr zufrieden sind, der im Dezember avisierten Konzertreise nach Nordamerika jedoch schon entgegen fiebern.
Nach dem Bandfoto husche ich fix wieder in den Saal Gastraum, wo Vader nun Stellung bezogen haben. Fix die Ohrstöpsel eingeschoben und noch ein Bier geholt, schon bricht der erste Song los!Jener stammt von der aktuellen EP und in Folge gibt es zwei ältere Songs, die ich mir nebst einigen weiteren der ersten halben Stunde ganz “in Ruhe” ansehe, bevor mein Auslösefinger nervös zu zucken beginnt. Die Stimmung im Laden ist wirklich super, selbiger dabei nicht überfüllt, und so macht es mir echt Freude, hier zu Fotografieren. Ab und zu erkenne ich einen Song wieder, benennen könnte ich die Titel eigentlich nicht mehr. Einzig: ich hätte mir einen Song vom “The Beast” Album gewünscht…
Auch Vader, so scheint es, haben viel Spaß bei diesem so intimen Gig hier in Cottbus, was sich immer mal wieder darin äußert, dass in den kurzen Pausen zwischen den Songs viel gelächelt wird, dazu gibt es kurze wohlwollende Ansagen, die den Eindruck bestätigen. Die Crowd dankt es mit heftigen Mosch-Attacken. So ruppig wie letztens im Protzen-Hanger geht es dabei nicht zu, vermutlich möchten viele dieses Konzert so gut es eben geht in Erinnerung behalten und drehen nicht völlig durch – mir kommt das nur entgegen, noch ein zu Boden gegangenes Objektiv hätte ich echt nicht gebraucht 😉
Mit dem Priest Cover “Steeler” beenden Vader diesen famosen Gig endgültig und verlassen unter frenetischem Jubel, händeschüttelnd die Bühne. Wohl alle, natürlich einschließlich mir selbst, müssen das erst mal kurz sacken lassen.
Ich baue meinen Blitz ab und verschwinde mit J. nochmal kurz ins Backstage für ein kleines Erinnerungsfoto mit Frontmann Piotr. Danach packe ich mein Zeug hier ein und wir ordern an der Theke ein Bier. Selbiges geht fast runter, wie das Erste, so trocken sind die Kehlen, so aufgewühlt sind wir.
Dabei greife ich mir noch Robert vom Muggefug, letztlich der Strippenzieher der Veranstaltung. In diesem kurzen Gespräch nach dem Konzert, wirkte er sehr entspannt und zufrieden, und ich nutze die Gelegenheit, Danke für die Organisation des Konzerts zu sagen. Robert ging an diesem Abend von ungefähr 100 zahlenden Gästen im Club aus. Ich wollte im Zuge meines kleinen Berichts aber doch etwas genauer wissen, wie ich mir das Zustandekommen dieser Veranstaltung vorstellen muss und erhielt später folgendes Statement von ihm:
“Im Prinzip sind solche Billings für einen Club wie unseren, das Ergebnis von jahrelanger kontinuierlicher zuverlässiger Arbeit und guten Kontakt mit Tourbookern, beidseitig. Das Billing wurde mir vom Tourmanager Artyom Serdyuk von Creative Music vorgeschlagen. Er war die letzten 2 Jahre schon mit Nightlinertouren im Muggefug und findet es immer gut bei uns. Darüber hinaus fuhr ich dieses Jahr selbst mit meiner Band eine Tour mit ihm. Kurz gesagt: Connections 😉“
Ich glaube, jedem, der an diesem Abend anwesend war, ist bewusst, dass es derlei Konzerte nicht oft zu sehen gibt. Natürlich gibt es bestechende Undergroundbands, die ebenso fett abliefern, ohne Frage. Jedoch, eine Institution wie Vader in dieser Kulisse zu erleben, ist wie einen ganzen Sack voller geiler Erinnerungen nach Hause tragen. Und deshalb habe ich meine Erinnerungen hier niedergeschrieben…
…Danke an Paweł für den Shuttle-Service!
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