Gesichter einer Szene No. 84
Auch diese kleine Geschichte zu „Gesichter einer Szene“ liegt schon einige Monate zurück, dennoch sind die Erlebnisse an dieses Augustwochenende im Erzgebirge noch recht lebhaft. Als Bindeglied zum Besuch unseres Ältesten, einer Gartenparty unter Freunden und dem „Stains in the Sun Festival“, bei welchem uns vor allem der Gig von ZSK triggerte, galt es auch für die Serie zu fotografieren.
Noch etwas benebelt vom Freitagabend bringt mich das Frühstück und ein Kaffee bei unserem Sohn Max in Schwung, J. und er können jetzt noch etwas abgammeln, bevor es zum „Stains“ geht, ich werde hingegen pünktlich um Eins von Henning abgeholt.
Weit müssen wir nicht fahren in die Nähe zum Bahnhof, an dessen Randgelände Henning so einen Durchgang kennt, welcher vermutlich als Gleisunterführung für Bahnarbeiter galt. Dessen geduckte Erscheinung, verbunden mit einer gewissen Dunkelheit, gefällt mir auf Anhieb.
Ich baue zunächst nur einen Hauptblitz von schräg oben auf, positioniere Henning an die lange Wand und richte das Licht ein. Da mir der hintere Ausgang etwas absäuft, kommt um die Ecke noch ein kleiner Blitz als Aufheller zum Einsatz, sodass die Schatten der Laubbäume im Hintergrund gut und kontrastreich zur Geltung kommen werden.
Henning ist einer von jenen Menschen, die ohne großes Zutun auf Fotos immer gut aussehen – das bemerke ich schon nach den ersten Probeaufnahmen. Das gibt es nun mal und sollte niemanden gram stimmen, wenn ihm derlei Kompliment noch nicht gemacht wurde. Zum Abschluss machen wir noch ein Foto von uns beiden, um auch hier für eine schöne Erinnerung zu sorgen, bevor wir uns zum kleinen Interview ein Stück durch Zwönitz an den Stadtrand begeben.
Henning stoppt das Gefährt an einem kleinen See, an dessen Ufer sich ein paar Angler eingefunden haben, es gibt aber auch eine Parkbank, und die ist für uns!
Ich laufe langsam darauf zu, während Henning neben zwei Campingstühlen noch etwas anderes aus dem Auto fischt, was dem Klang nach ein Beutel mit Bierflaschen sein dürfte. Sollte es wirklich sein? Als ob er Gedanken lesen könnte, ob meines etwas trockenem Halses, hat uns Henning tatsächlich Bier mitgebracht – etwas Besseres könnte es vermutlich gerade nicht geben, und so sitzen wir auch schon unvermittelt nebeneinander, lösen die Kronkorken, stoßen an und genießen bei sommerlichem Wetter das Bier und die Ruhe an diesem doch recht idyllischen Ort.
Dabei beginnen wir mit dem Interview, bei dem wir etwas die Zeit vergessen, weil es eben so interessant war zu hören, was mein Protagonist zu erzählen hat. Ein ankommender Anruf erinnert uns daran, dass wir heute noch auf ein Festival wollen und – dies ist auch schon wieder eine eigene Geschichte wert 🙂
Steckbrief:
Henning (27)Metallbaumeister für Fachrichtung Metallgestaltung (also Schmied)
Fan, Musiker
Bereits für Hennings Großeltern war es essenziell, dass jeder in der Familie ein Instrument beherrscht. So spielte etwa der Opa Akkordeon und Harmonika und Hennings Mutter musste darauf hin quasi Geige lernen, obschon sie das Klavierspiel favorisierte – so läuft’s eben manchmal. Und generell ist es immer zu begrüßen, wenn Familien auch über Generationen hinweg gemeinsam musizieren.
Für die Generation um Henning und seine Geschwister war die Blockflöte sozusagen das erste Pflichtinstrument, doch mit der Zeit wurde die Instrumentenauswahl erweitert (z.B. durch Gitarre, Keyboard) und zu großen Familienfesten wurden – in verschiedensten Konstellationen – Stücke aufgeführt, von denen Henning allerdings nicht mehr sagen könnte, woher die Originale stammten.
In der fünften Klasse wurde Henning gezielt auf Bassgitarre geschult, auch mit dem Hintergrund, in der Schülerband mitzuspielen, in der auch sein Bruder bereits Gitarrist war. Das wurde auch so beibehalten, als Henning die Schule wechselte – fortan war der private Gitarrenlehrer des Bruders eine Zeit lang auch sein Basscoach – wofür er seinen Eltern heute noch sehr dankbar ist.
Dennoch galt die Bassgitarre nicht Hennings uneingeschränktem Interesse, also suchte er sich nach seiner Ausbildung einen Schlagzeuglehrer, um auch hier die notwendigen Basics zu beherrschen, denn die Suche nach „seinem“ Instrument war noch nicht abgeschlossen.
Während all dieser Zeit gab es natürlich auch Musik aus der Konserve. Zu Hause hörte Hennings Mutter gern Vivaldi, der Vater beim Schrauben an seinem Ofen sehr gern Blues und Rock, oder die Vermischung dessen, sodass Henning beim Besuch in der Werkstatt erste Aufmerksamkeiten an ZZ Top und AC/DC vergab. So fährt Henning dann auch mit Begeisterung auf einige Bikertreffen, wo ihm sowohl die meist harte Musik, wie auch die Atmosphäre gefallen.
Sein Gitarre spielender älterer Bruder allerdings hält auf seinem Computer und einigen CDs noch ganz andere Dinge eher für sich unter Verschluss, die sich der junge Henning dann eben besorgen muss, wenn jener außer Haus ist 😉 Die Musik wird jetzt maßgeblich von den dort vorgefunden Bands bestimmt: Children Of Bodom, Metallica, System Of The Down, das Ganze befeuert von Musiksendern wie MTV und Viva.
Unterbrochen von einer kurzen Hip-Hop-Phase, bilden die drei Jahre im Internat eine weitere fruchtbare Zeit in Sachen harter Musik. Die hier gewonnen Inspirationen und Tipps trägt der junge Musikfan dann in einschlägige Geschäfte, um Wühlkisten nach geilen Metal Coverartworks abzugrasen und sich eine kleine Sammlung aufzubauen. Nach dem Kennenlernen der richtigen Leute holt Henning die Bassgitarre wieder aus der Ecke und findet mit Reckless Pile eine richtige Band – und die Liebe zum Bass, und vielleicht sogar seine Berufung an diesem Instrument.
Hennings zweite Berufung – jene als Schmied – verband er vor nicht allzu langer Zeit mit der Berufung zur Musik, indem er als Requisite die Krone für das Musikvideo „Crown Of Shame“ von TormentoR anfertigte. Passend dazu möchte hier vielleicht ein Auszug aus einem Anvil Song herhalten:
Altered shape, affected matter
Giving form, an ominous factor
Never break it, it will never bend
The Anvil was Forged In Fire
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