ABBA „Voyage“ – Comeback nach 40 Jahren
Dass ich noch einmal die Veröffentlichung eines ABBA Album erleben würde, hätte ich eigentlich nicht gedacht. Selbst als vor Jahren verkündet wurde, es würden zwei, drei neue Songs der Schweden veröffentlicht werden, ging ich eher von Bonus Material auf einer „Best-of“ aus.
ABBA haben mich schon als Kind begeistert, die Musik, vor allem die Hits, gefielen mir sehr, gleichwohl ich mich nicht ernsthaft damit beschäftigt hatte. Kam im DDR Fernsehen „ABBA – der Film“, saß die Familie vor der Glotze – der Verquickung von Dokumentation, Spielfilm und Roadmovie war schwer zu widerstehen und machte die Band absolut sympathisch. Noch bevor ich zum Teenager mutierte, war ich in Agnetha verknallt, was auch einige Jahre später meine Vorliebe für blonde Frauen erklären könnte 😉 Es wurde übrigens dann keine mit jener Haarfarbe 🙂
Mit dem Heranwachsen wuchs bei mir das Interesse, Musik nicht nur oberflächlich zu hören, und eröffnete mir ABBA’s Genie aus Songwriting, Instrumentalisierung und einem Gesang, der, wie ich in Erfahrung brachte, sehr hohe Skills der beiden Sängerinnen erfordert. Seitdem bin ich bekennender ABBA Fan, nicht eben „die hard“, aber großer Liebhaber.
Seit gestern liegt nun ein neues ABBA Album bei mir in heavy rotation auf dem Plattenteller. 40 Jahre nach The Visitors – meinem, ob seiner gewissen Düsterheit und Reife, liebstem Album der Band – der erste Release, welchen ich bewusst miterleben kann. Deshalb erlaubt mir, hier meine Gedanken zu Voyage niederzuschreiben.
Mit I Still Have Faith In You, welches neben Don’t Shut Me Down vor gut zwei Monaten als Single erschien, eröffnen ABBA ihr Comeback. Da ist sie, diese glockenklare Stimme von Agnetha, und sie betört mich noch immer, gerade im starken Refrain (dann mit Anni Fried zusammen) kommt dieses Timbre hervor, welches ich nur sehr schwer beschreiben kann. Zudem kratzt der episch gelungene Song mit etwas über fünf Minuten am längsten und ebenfalls geilem Eagle (5:51) vom …ähm, The Album Album.
Der zweite Track When You Danced With Me klingt vom Thema her irgendwie irisch oder schottisch? Er hat etwas Stampfendes, juckt mich aber nicht so recht, will sagen: so lala.
Little Things ist sicher als Ballade zu verstehen, bei mir ruft der Song allerdings Assoziationen zu einem Weihnachtslied hervor (der Text ist auch so ausgerichtet, wie ich nun merke). Ich finde den Song schwach.
Das oben bereits zitierte Don’t Shut Me Down ist ein selbstbewusster Midtempo Song, welcher auch auf The Visitors eine gute Figur gemacht hätte, etwas sentimental, ohne dabei zu kitschig zu werden, Daumen nach oben!
Just A Notion ist ein beschwingter Song, bei welchem das Klavier klar den Ton angibt, dazu kommen Bläsersätze. Kein schlechter Song, aber auch nichts, was mich umhauen würde. Damit endet dann auch schon die A-Seite, die mich etwas zwiespältig zurücklässt. Drehen wir also um, und hören, was die zweite Plattenseite zu bieten hat.
Sie beginnt – badumm, tsss – mit einer Ballade. I Can Be That Woman ist keine schlechte, wobei mich die Parallelen zu Listen To Your Heart von Roxette besonders im Refrain etwas überraschten. Ich mag Roxette übrigens nicht, allerdings ist deren Nummer schon recht geil und hat mehr Biss.
Aber jetzt! Jetzt kommt das, worauf ich schon seit etwa 20 Minuten warte – ein Hammersong! Das ist freilich nur meine unwesentliche Meinung. Aber: in Keep An Eye On Dan ziehen Benny, Björn, Anni Fried und Agnetha alle Register ihres Könnens. Ein fantastischer Songaufbau geleitet den Hörer mit viel Spannung durch den Song und gipfelt in einem absolut tollen Refrain, bei welchem das Tempo angezogen wird und über dem ein helles Keyboard-Theme liegt. Super! Sie können es also doch noch. Dazu auch hier diese leichte Melancholie, und die Boys singen tatsächlich auch mal im Backing mit – Feurio! Ach und ich darf natürlich nicht vergessen, zu erwähnen, wie der Song endet: mit einer sekundenlangen Hommage an S.O.S.
Bumblebee erinnert zu Beginnein wenig an Fernado, ist auch sehr balladesk und auch hier sehe ich nicht eben einen starken Song.
Das wird allerdings mit No Doubt About It wieder wett gemacht. Wir bekommen einen echten Rocker, der für ABBA Verhältnisse besonders im Refrain echt fett vom Leder zieht und in der Bridge als schöner Kontrast etwas ruhiger gesungen wird. Für mich der zweitbeste Song. Ich bin auch der Überzeugung, dass dieses Singen in hohem Tempo eines der Stärken der Band ist. Das ist sicher auch sehr schwierig, wie einige Dokus schon aufgezeigt haben – aber hier trennt sich eben die Spreu vom Weizen. Richtig gut! Und laute Gitarren! 😉
Geschlossen wird ABBA’s neuntes Studioalbum mit Ode To Freedom, einem ruhig klingendem Song, der mich sofort an einen symphonischen Klassiker erinnerte, nur welchen? Mir lag es auf der Zunge, aber ich bin ums verrecken nicht drauf gekommen, musste also im Netz suchen und die Antwort ist: Tchaikovsky’s Schwanensee. Gefällt mir gut, und gibt einen würdigen Abschluss.
Schlussbemerkung: Nach so vielen Jahren neue ABBA Musik zu hören, ist einfach etwas Schönes. Soweit ich es bisher beurteilen kann, gibt sich ABBA textlich große Mühe Geschichten zu erzählen, ohne dabei peinlich zu wirken, gerade I Can Be That Woman sticht hier heraus. Mir gelingt es übrigens immer seltener, die Stimmen der beiden Damen auseinanderzuhalten, möglich, dass die Reife ihres Gesangs hier eine Rolle spielt, dennoch agieren sie auf einem extrem hohem Niveau. Fast schon beängstigend hoch, bedenkt man, das Alter von Anni Fried (76) und Agnetha (71) – und ich möchte das als Kompliment verstanden wissen. Das Album ist sicher keine Offenbarung, enthält natürlich an vielen Ecken Zitate, die an Glanztaten der Band selbst erinnern, aber auch Songs, die als würdiges Erbe an eine Ära voller Hits gesehen werden dürfen. Somit sollte jeder ABBA Verehrer und Musikfan seine Songs auf der Scheibe finden. Ich habe meine gefunden, wissta ja nun 😉
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