Auf dem In Flammen Open Air – Ein Rückblick
In Planung
Wohl jeder angehende, oder auch gestandene Besucher eines Festivals macht sich im Vorfeld einige Gedanken darüber, wie das jeweilige (meist sind es ja mehrere im Jahr) Livemusikfestspiel über die Runden gebracht werden könnte. Gilt es doch einen gewissen – zumindest den als notwendig erachteten – Komfort über so ein Wochenende aufrecht zu erhalten. Meist geht es darum was alles mitgenommen wird: Zelt und Zeltaustattung, Stühle, ein Tisch?, Pavillon, Klamotten, Kulturbeutel, Gadgets wie Telefon, mobile Musikbox, Powerbank, sowie Getränke und Essen, eine Kühlbox und natürlich Bier.
Die Liste wird gern immer länger und so ist das avisierte Fahrzeug auch gern ein limitierender Faktor, oder vielmehr, wie viele das Gefährt benutzen wollen oder müssen. Einige Tage vor unserer Abfahrt fragt mich also mein Freund Evil, ob wir uns nicht zusammen schmeißen wollen. Darüber habe ich freilich auch schon nachgedacht. Nur mit einem Auto zu reisen ist generell eine gute Idee, schont es dabei noch die Umwelt.
Setzt man jedoch alle Puzzleteile, einschließlich der oben genannten zusammen, werden Schwächen des Konzepts deutlich. Evil würde auch in seinem Kombi schlafen, im Prinzip müssen somit alle unsere Sachen aus der Karre raus, die sonst im eigenen Fahrzeug bleiben. In meinen Fall ist da noch die Kameraausrüstung, die ich bis auf die kleine Fuji im Auto verwahre, aber stets verfügbar bleiben muss. Also müsste Evil ständig präsent sein und mir bei Bedarf sein Gefährt öffnen. Wir verwerfen den Plan.
In Fahrt
So sind wir Donnerstag Mittag fünf Personen in drei Autos. Unser erster Zwischenstopp wird eine Tanke in Luckau sein, wo wir Anke & Steffen aufsammeln, um den Rest des Weges im Konvoi zurückzulegen. Evil überholt uns schon bald nach dem Start, er weiß ja wo der Treffpunkt ist, da kann er ja noch einen Kaffee schlürfen während er auf uns wartet 😉
An besagter Zapfstelle jedoch, warten nur Anke & Steffen, von Evil ist weit und breit keine Spur. Wir halten ein Begrüßungsschwätzchen und sinnieren über den überfälligen Verbleib des einstigen Mitreisenden. Nach einigen Minuten zücke ich das Telefon und rufe Evil an, in diesem Moment kommt er auch die Auffahrt hoch.
Wieder vereint wollen wir freilich wissen, was ihn aufgehalten hat. Evil antwortet verwundert „Na diese Umleitung, ich musste doch die Baustelle in Lübben umfahren!“ Meinen Einwand, dass diese Umleitung nur für LKW gilt und Evils Audi keineswegs darunter zu fallen scheint, lässt er nicht gelten und schwört Stein und Bein, eine solche Beschilderung nie gesehen zu haben, weil sie nicht da war. Wir gackern alle etwas und belassen es dabei, Evil will uns das spätestens auf der Rückreise verifizieren 😉
Bei unserer Ankunft in Torgau fällt als erstes auf: ein mittleres Verkehrschaos wie letztes Jahr scheint es nicht zu geben. So rollen wir durch den ganz normalen Feierabendverkehr und biegen zu guter Letzt von der “87” nach links zum Festivalgelände ab. Auch hier, kein Stau, wir rollen durch bis die ersten Kontrollposten uns freundlich begrüßen.Vielleicht trägt auch der nun zweispurige Ticket- und Kontrollbereich zum zügigerem Abfertigen bei, lange Wartezeiten gab es jedenfalls bei unserem Eintreffen nicht.
In Aufbau
Das Gelände ist für einen Donnerstag Nachmittag von „hinten“ her schon ziemlich aufgefüllt. Unser Ziel ist der abgesteckte Bereich der Cottbusser, von denen einige schon seit Mittwoch die Stellung halten.
Viel Platz haben sie auch nicht mehr, und so beginnt das Zirkulieren mit Abständen und das Feilschen um etwas mehr Raum, welchen wir unseren Calauer Kumpels abspenstig machen können. Danke dafür!
Mittlerweile ist auch Sohn Max mit einigen Freunden aus dem Erzgebirge eingetroffen, was die Platzsituation noch verschärft, möchte man weitgehend zusammen bleiben. Evil und sein Kumpel Schniedel versuchen etwas weiter hoch zu ihr Glück und am Ende reiht sich alles ein.
Die Zelte rascheln beim Aufbau, und begleitet vom hellen Einschlaggeräusch der Heringe erweitert sich Stück für Stück die kleine Zeltstadt. Große Entfernungen muss man auf dem In Flammen nicht zurück legen, ich schätze auf über 300 – 500 Meter am Stück dürfte man selten kommen. Entsprechend kurz sind alle übrigen Wege.
Als alles soweit in Form gebracht ist, auch Tische und Stühle einladend in Stellung gebracht sind und auch die extra hohe Schlafmatratze im Zelt mittels Doppelhubpumpe(!) aufgeblasen ist (ächz) kommt – ihr ahnt es schon – das erste Festivalbier. Und obschon es heute bewölkt, und alles andere als heiß ist, läuft dieses erste Pils doch immer besonders schmackhaft die Kehle hinunter…
Gegen halb sechs wird der musikalische Reigen beginnen, unser kleiner Tross wird sich jedoch erst zu 18 Uhr in jene Richtung bewegen, so dass wir rechtzeitig zu Wiegedood die von Bäumen eingerahmte Bühne erreichen.
Auf dem In Flammen hat man die Wahl, sich ein Kaltgetränk seiner Wahl an einer der Theken zu ordern, oder seine Dose… oder Büchse vor Ort zu trinken. Ein deutlicheres Zeichen des Veranstalters in Sachen Fannähe kann man, glaube ich, nicht setzten. Ich persönlich halte es mal so, mal so, wie es gerade passt, denn ein Frischgezapftes ist eben doch noch was anderes.
Wiegedood trafen ziemlich meinen Geschmack und stimmen mich somit gut auf die kommenden Tage ein. Der erste Abend gilt ja immer als der Abend, an dem es besonders „rund“ geht, es gibt viele Freunde und Bekannte zu begrüßen und so kommt es, dass einige von uns ziemlich beschwipst in die Fallen fallen 😉
Freitag – In Verzug
Die erste Nacht auf dem In Flammen war ruhig und ich hatte warme Klamotten mit, ein Zeichen von Lernfähigkeit 😉 Des Nachts, oder besser Morgens ging einiger Regen über das Gelände, so dass sich ein anständige Wasserkuhle im Rollo von Steffens Camper gebildet hatte. Das Angebot, sogleich hier zu duschen möchte keiner annehmen, es erfolgt also der kontrollierte Abfluss.
Die Organisatoren des Festivals haben in diesem Jahr einen Sanitärbereich geschaffen, der sich mit einem Flatbetrag oder gegen einzelne Bezahlung nutzen lässt. Der Andrang an den WC Boxen war allerdings immer recht groß, fürs kleine Geschäft jedoch (zumindest soweit ich das beurteilen kann) war immer ein Platz frei, dazu ein Waschbecken, Duschen gab es auch und fanden Anklang.
Nach dem Frühstück und dem unabdingbaren Kaffee werden Pläne geschmiedet, welche Bands heute als essentiell wichtig, interessant oder auch weniger interessant erscheinen. Bei einigen ist das ja durchaus nicht klar. Wir fokussieren uns erst mal auf Indian Nightmare.
Bis dahin wird die Zeit mit Konservenmucke überbrückt, derweil ich von meinem Stuhl aus immer mal zum Pavillon zwei Meter weiter schaue, um hinter den Sinn des von einigen unserer Mitstreiter so eben anberaumten Trinkspiels zu kommen. Unweigerlich muss ich an die unsäglichen Wettkämpfe dieser Art in meiner Jugend denken und lehne eine Teilnahme dankend ab 😉
Das Schöne am durchwachsenen Wetter dieses Wochenendes ist: ich kann auch mal meine Lederjacke anziehen. Sie fehlt einem in diesen Sommermonaten doch schon irgendwie, und so nutze ich jede Möglichkeit sie hier überzustreifen und dem einen oder anderen Regentropfen zu trotzen. Kommt allerdings die Sonne durch, knallt es – dann wird die Jacke zur Last, entweder schwitzen, oder tragen, beides ist doof.
Auf Grund eines Fuckups mit der Stromversorgung der Hauptbühne kommt es am frühen Nachmittag zu Verzögerungen und Umsetzungen was die Spielzeiten einiger Band und den Ort betreffen. Das spricht sich soweit schnell herum, so dass sich wohl die meisten Besucher darauf einstellen können. Der Crew gelingt es irgendwann wieder alles in Funktion zu bringen, und am Ende wird jede Band auch spielen.
Aus diesem Grund treten Indian Nightmare auch im Zelt an, was der Multikulti Truppe offensichtlich nix ausmacht, eine etwaige Missstimmung war nicht auszumachen. Mit unglaublicher Spielfreude avancierten Indian Nightmare zu einem der Höhepunkte am Freitag.
Gruesome standen ebenfalls auf meiner Liste, überschnitten sich aber aus genannten Gründen mit den ebenfalls ins Zelt verlegten Sylvaine. Die Möglichkeit, auf Konzerten in schöner Regelmäßigkeit von so manchem Underground Act überrascht zu werden, ist für mich eines der Gründe, warum ich gern kleine bis mittelgroße Festivals besuche.
Die gebürtige Amerikanerin und in Norwegen aufgewachsene und nun in Frankreich lebende Kathrine Shepard war mit ihrer Band Sylvaine eine dieser Überraschungen. Die atmosphärische dichte Musik, welche Elemente aus Rock und Post Black Metal lieblich vermischt, sorgten im IN FLAMMEN Zelt für Begeisterung. Kathrine, die mit ihren langen hellblonden Haaren gleichwohl wie ein Engel aussieht, hat aber auch echt krasse tiefe Growls zu bieten, was es schier unmöglich macht, sich ihrer Aura zu entziehen. Ich mach noch ein Durchgerockt-Foto der Band und treffe dann meine Begleiter wieder, welche sich in ihrer Begeisterung ähnlich äußern. Wir holen uns ein Bier!
Tja, und den Rest des Abends habe ich es geschafft, immer beste Absichten zu haben, jedoch an der Umsetzung zu scheitern. Ich übe mich in Konversation, trinke da mit Jener und dort mit Jenem ein Bier und bekomme von Pestilence und 1349 leider so gar nix mit.
Es wird bereits dunkel, Nieselregen setzte ein und da ich keinen meiner Freunde ausmachen kann, zottle ich zurück ins Camp, wo keiner zugegen ist. Ich gehe zwei Pavillons weiter, lerne ein paar recht entspannte Leute kennen, trinke da noch ein Bier und als ich irgendwann in unser Zelt schlüpfe, liegt meine Liebste schon im Bett.
Sonnabend – In Askese
Der dritte Festivaltag beginnt bei bewölktem aber trockenem Wetter mit den üblichen camping-typischen Ritualen: Frisch machen, Betten machen, Kaffee machen. Beim Frühstück wird der gestrige Abend ausgewertet, wobei in den höchsten Tönen über Hamferð berichtet wird, und was ich dabei verpasst habe. Tja, wer hätte das ahnen können, schade, vielleicht ein anderes Mal.
Da noch etwas Zeit bis zur ersten Band ist, versuchen sich einige von uns darin, eben jene mit etwas Flunkyball totzuschlagen, was auch bei den Zuschauern unter uns für Belustigung sorgt. Während sich die Delinquenten die ersten Hülsen in den Rachen schütten, bleibe ich für heute bei den alkfreien Getränken, denn morgen ist Rückreisetag.
Ab dieser Zeit ungefähr rückt sich die Sonne wieder in Erinnerung, und pünktlich zu halb drei stehen wir im Zelt, bereit für die erste Band Verheerer.
Trotz der – für Festivalverhältnisse – „frühen“ Stunde sind doch zahlreiche Fans erschienen und ließen sich vom treibenden, Blackmetal lastigem Sound ohne viel zögern mitreißen. Mir hat‘s auch sehr gut gefallen, obschon mir der Gesang etwas zu weit „über“ dem Rest des Mixes zu schweben schien. Halb so wild.
Ein „Durchgerocktfoto“ wird schließlich vor dem Merchstand neben der Hauptbühne gemacht, die Aktion dauert etwas länger als erwartet, weshalb sich meine Begleiter bereits Sorgen gemacht haben, ob ich vielleicht von einer aufmerksamen Stagehand einkassiert wurde, da ich ja im Backstage der Zeltbühne nix zu suchen habe.
Etwas später zieht es mich zum FDA Record Stand, bei dem ich gestern – wie schon im letztem Jahr – 15 Euro über die Ladentheke geschoben hatte, mit der Bitte, mir „was Schönes“ auszusuchen. Heute will ich mich nun überraschen lassen, und Inhaber Rico zückt – unter detaillierten Erklärungen, wieso, weshalb, warum – die 2011er „Mare“ von Kampfar. Und trifft damit echt gut meinen Geschmack, da ich mir vor ein paar Wochen erst die neue Scheibe der Norweger in die Sammlung gestellt hatte.
Zwischendurch essen wir was Gegrilltes und sind zu Chapel of Disease vor der Hauptbühne. Mit der sehr abwechslungsreichen Mucke der Kölner war ich soweit vertraut gewesen, letztlich wird aber der Auftritt auf dem In Flammen dafür sogen, dass ich mit Steffen zusammen ein paar Tage nach dem Gig die 2018er Veröffentlichung auf Vinyl ordere. Funktioniert also 😉
Fixer Wechsel ins Zelt: denn hier sollen nun Anomalie aufspielen. Die Österreicher sind dieses Jahr auf dem Torgauer Festival wohl jene Band, deren Auftritt ich am meisten entgegen fiebere.Meine Vermutung ein richtig starkes Konzert zu sehen wurde absolut erfüllt. Natürlich ist das baustellenartige Ambiente einer Zeltbühne, dazu am helllichtem Tag, in gewisser Weise der Atmosphäre, gerader dieser Musik nicht eben zuträglich, aber die Band legte eine tolle Spielfreude an den Tag und tat alles, dieses Manko vergessen zu lassen. Viel zu schnell ging mein Highlight auf dem In Flammen Open Air 2019 zu Ende!
Die letzte Band, die ich am Sonnabend ansehe sind Unleashed, die mir auch echt gut gefallen haben. Aber nach fast drei Tagen bin ich jetzt doch gut durch. Ich trinke mit den anderen am Zelt noch ein Bier und falle gegen Mitternacht müde ins Bett.
Resümee
Ich habe nicht unbedingt viele Bands fotografiert, jedoch, jene, die ich abgelichtet habe, bei denen waren die Umstände und das Bedürfnis mein Freund.
Das In Flammen scheint zu wachsen, nur der/die Veranstalter können entscheiden, wo ihre Grenze angesiedelt ist. Wie auch immer sie entscheiden, für 2019 kann ich aus meiner Erfahrung feststellen, dass soweit alles tip top organisiert wurde.
Über Kleinigkeiten zu klagen, wäre wohl Jammern auf hohem Niveau, wenn man sich vor Augen führt, was für ein Aufwand und auch Risiko in Form von technischen Problemen, und allen möglichen fuck ups hinter so einer Veranstaltung lauern. Ich hatte keinen Grund zu klagen und hab mich rundum Wohl gefühlt. Also Danke an Thomas Richter und seinem Team für die tollen Tage!
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