Décembre Noir – The Renaissance Of Hope – Das Coverart genauer betrachtet.
Seit Jahrzehnten ist es so, dass das Cover, das Artwork einer neuen Scheibe einer Band, in irgendeiner Form vor dem eigentlichem Release gezeigt wird. Einige erinnern sich gewiss, dass die Vorankündigung einer – beispielsweise – neuen Iron Maiden Platte im Metal Hammer schon für helle Aufregung sorgte – lange bevor es kommerzielles Internet gab. Und auch wenn das sicher klar als Marketing zu betrachten ist, kommt es immer wieder vor, dass durch das Zeigen des Covers vorab Reaktionen unter den Fans hervorrufen werden.
So erging es mir, als ich das Frontcover der neuen Décembre Noir “The Renaissance Of Hope” auf den einschlägigen Kanälen zu sehen bekam. Quasi instant nahm mich das Foto gefangen und in meinen Gedanken entspann sich ein erstes Kopfkino.
Seit ein paar Tagen dreht nun die Schallplatte in meinem Musikzimmer Runde um Runde und begeistert mich mit der konsequenten Fortsetzung des Décembre Noir Sounds. Fast schon liebevoll melodiöse Riffs finden ihre Ergänzung durch die tiefen Growls am Gesang, befeuert von einem Schlagzeug, welches es immer wieder schafft, die eingängige und dabei recht gleichmäßige Grundmelodie der Songs zu steigern… bis hin zu langen Double Bass Passagen, die bis in die Magengrube wandern.
Und dann eben das Cover, welches ich – ergänzt durch weitere Fotografien – als eines der besten Werke der letzten Jahre sehe. Aus diesem Grund wollte ich mehr über den Entstehungsprozess erfahren und nahm Kontakt mit der Band und dem Fotografen auf. Für das folgende Interview gaben Sebastian (Gitarre) und Stephan (Bass) von Décembre Noir sowie der Fotograf Marco Großmann Antworten auf meine Fragen und lassen ein lebhaftes Bild über die Arbeit am Cover Revue passieren.
- Popper: Wo fangen wir an? Vielleicht mit der Frage, wie weit sich Coverart und die Musik auf dem neuen Album bedingen. Herrscht eine Dialektik, oder hattet ihr einfach eine geile Idee für das Artwork und wolltet es unbedingt umsetzen?
- Sebastian (Décembre Noir): In der Phase, in der die Texte wuchsen und sich langsam zu jedem Song auch der Gesang entwickelte, kam wie immer sehr früh von Lars (Gesang – Anm. d. Verf.) der Albumtitel. Es ist ein sehr guter Leitfaden, an dem man sich orientieren kann, wenn es darum geht, die Stimmung der vorerst instrumentalen Stücke mit Text zu versehen. Aber so ein Albumtitel legt natürlich auch den Grundstein zum Interpretationsspielraum innerhalb der Band. Es wurde relativ schnell klar, dass das Wort “Hoffnung” in diesem Zusammenhang etwas tiefgründiger betrachtet werden würde. Ich trat an den Rest der Band mit der Idee zum Cover heran. Ich wollte die jetzt im Cover dargestellte Szene als kurzen Film drehen und aus dem Film die Aufnahmen ziehen, welche dann Cover und Artwork werden sollten.
- Popper: Okay, verstehe. Gibt es eine schärfere Interpretation des Covers, oder legt ihr Wert auf Interpretationsspielraum? An dieser Stelle vielleicht mal meine Interpretation: Ich sehe einen Typen in einer Aktion, die zwar einen Akt der Gewalt darstellt, diese Gewalt erscheint mir allerdings nicht böswillig, es scheint eine Tat zu sein, welche abgesprochen ist, eine Tat aus Verzweiflung und/oder der Erlösung. Vom ersten Moment, als ich das Cover sah, überkam mich Empathie, alle anderen möglichen Interpretationen (z.B. Eifersucht) hatten nie das Gewicht mich zu überzeugen. Sterbehilfe? Das Backcover macht diese Interpretation in meinen Augen auch nochmal deutlicher, so wie die Fotos im Innersleeve von Erinnerungen vor jenem Tag zeugen könnten.
- Sebastian (Décembre Noir): Du hast mit deiner Interpretation schon das entdeckt, was zum Ausdruck kommen sollte. Eine an Tragik und Zerwürfnissen kaum zu übertreffende Form der Hoffnung ist die Sehnsucht nach dem Tod. Und es gibt wohl kaum eine grausamere Vorstellung in einer Beziehung, als seinem Partner die Hoffnung und den Wunsch darauf zu erfüllen. Die Hoffnung ist so intim und trägt in sich so viel Schmerz und Trauer für den zurück bleibenden Partner. Und doch ist es eine solch tiefe Verbindung an Liebe und Vertrauen. Ich hatte das Thema der “Aktiven Sterbehilfe” ganz bewusst gewählt, um den Raum zur textlichen und musikalischen Auslegung so hart wie möglich zu halten. Wir lassen eigentlich immer sehr viel Platz für die eigene Interpretation. So wie aktuell auch beim Video zu Hope/Renaissance. Aber ich denke, wir haben hier eher versucht, Zweideutigkeit zu vermeiden.
- Popper: Dieses Thema – aktive Sterbehilfe – ist ja kürzlich mal wieder durch einen Fall in den Medien präsent gewesen, wo ein alter Mann seine Frau gehen ließ, ihr also dabei half, er jedoch bei seinem ebenfalls geplanten Suizid scheiterte und vor Gericht landete. Vermutlich kann sich kaum jemand ernsthaft vorstellen, was in zwei Menschen vorgeht, die das als letzten Ausweg sehen. Wie wurde deine Idee aufgenommen? Und vom Entschluss, zur Umsetzung, wie muss ich mir das Brainstorming vorstellen? Waren alle Musiker beteiligt, habt ihr vielleicht schon zeitig im Prozess Meinungen eingeholt, vielleicht vom Fotografen?
- Sebastian (Décembre Noir): Die Idee zum Cover ist erst mal abgewiesen worden, da sich Lars textlich damit nicht arrangieren konnte. Es wurde eine Möglichkeit gesucht, mit der Covergestaltung direkter auf einen Text einzugehen. Das erwies sich allerdings auch als schwierig und die Zeit wurde knapp. So bekam die Idee ihre zweite Chance. Von der ursprünglichen Idee zum Film musste ich mich allerdings trennen. Stephan, unser neuer Mann am Bass, konnte nun seine berufliche Erfahrung als Grafiker einbringen und schon mal die Richtlinien für seine spätere Arbeit am Artwork festlegen. So bekam alles schon mal einen Rahmen, in dem es statt finden konnte.
- Popper: Als es konkret wurde: Wie habt ihr euren Fotograf gefunden, eure Darsteller?
- Sebastian (Décembre Noir): Ich hatte die Darsteller vor meinem geistigen Auge und zum Glück in meinem Freundeskreis und sie sagten sofort zu. Meine Schilderung der Szene, welche ich wollte, hat erst einmal für entsetzte Blicke gesorgt. (das glaube ich gern… Anm. d. Verf.) Aber die darin liegenden Emotionen haben Überzeugungsarbeit geleistet. Stephan hatte sofort den richtigen Mann hinter der Kamera ausfindig gemacht, Marco Großmann war der richtige Mann für Fotografie mit Wasser. Er zog uns auch gleich den Zahn, die Aufnahmen im Meer zu machen. So suchten wir nach einem Binnengewässer, welches die nötige Kulisse bieten konnte. Als Video wäre das Meer mit Küste sicher nicht zu toppen gewesen, aber als reines Foto kaum darstellbar. (Fotograf Marco erläutert später folgendes zu Problematik Meer/Küste: “… die Coverszene wäre durch die Brandung bzw. ständige Wellenbewegung fotografisch extrem schwer umzusetzen gewesen.” Anm. d. Verf.)
- Popper: Sebastian, erzähl doch mal. Wie habt ihr den Tag des Fotografierens erlebt, wart ihr vor Ort um alles zu beobachten? Wie viel Zeit und Aufwand steckten dahinter? Beim Thema Wasser, ich hoffe es war Hochsommer 🙂
- Sebastian (Décembre Noir): Wir haben natürlich versucht, das Aufsehen so gering wie möglich zu halten. Die frühen Morgenstunden waren von Marco verlangt und so trafen wir uns um 6 Uhr. Eigentlich war es schon über eine Stunde zu spät. Wir brauchten ja noch, bis wir an der richtigen Stelle waren und uns eingerichtet hatten. Das Wasser lag aber noch recht glatt, es gab kaum Wind und die Sonne schien noch durch die Waldlichtungen recht tief und etwas Schlaglicht drang durch die Bäume. Als wir die Szene am Ufer noch mal trocken durchgegangen waren und ich Körperhaltung, Gestik und Mimik so erläuterte, wie ich es mir vorgestellt hatte, ging es für die Darsteller und Marco ins Wasser. Zum Glück war es im Gegensatz zur Luft recht warm und das Frieren begann immer erst außerhalb. Ich habe vorsorglich schon mal eine Flasche Whisky mit eingepackt, welche dann doch immer mal her halten musste, um von innen wieder etwas zu wärmen. Aber auch Kaffee und Tee wurden bereitgehalten. Insgesamt waren wir doch vier Stunden beschäftigt und unsere Darsteller bewiesen echt Ausdauer und Härte. Wir waren selbst sehr überrascht, wie tapfer sie sich geschlagen hatten. Aber auch emotional waren sie als Paar sehr ergriffen. Sie haben sich extrem intensiv in die Situation hineingefunden und haben einen sehr bewegten Tag in Erinnerung, welcher sie noch mehr verbunden hat. Die Bilder von Marco waren einfach nur großartig. Noch am selben Abend begannen Marco und Stephan mit der Auswahl der Bilder und der Bearbeitung. Stephan hat mit dem Artwork ganz sicher ein eigenes Meisterwerk geschaffen. Im Nachhinein können wir sehr zufrieden sein. Und ich denke, wir haben alles richtig gemacht.
Soweit Sebastian zur Idee zum Cover von „The Renaissance Of Hope”. Es geht nun an die Umsetzung, und wir kommen nun zu einigen Fragen an den Fotografen, Marco Großmann. Fragen, die mich als Fotograf zugegebenermaßen besonders interessieren.
- Popper: In den Schilderungen von Sebastian ist ja schon sehr viel Interessantes zu erfahren. Vielleicht erzählst mal du kurz umrissen, was du so als Fotograf machst.
- Marco: Ich habe mich der Dokumentarfotografie verschrieben und widme mich beinahe ausschließlich selbstgewählten Fotostorys und Langzeitprojekten, meist im asiatischen Raum. Einerseits finde ich es extrem spannend, auf diese Art Einblicke in das Leben von Menschen und Kulturen zu erhalten. Andererseits bin ich davon getrieben, neben den alltäglichen Situationen insbesondere die nichtalltäglichen, schwer zugänglichen und intimen Momente fotografisch festzuhalten. Das braucht Vertrauen und somit viel Zeit. Aber wenn sich dann der perfekte Moment ergibt und das Licht stimmt, kommt was Gutes bei raus, für das es sich zu fotografieren und zu warten lohnt.
- Popper: Wie war denn dein erster Eindruck, als dir grob mitgeteilt wurde, was sich die Band ausgedacht hat? Bei manchen Fotoprojekten oder Wünschen läuft ja bei Fotografen gern gleich mal ein Film ab, was machbar ist, was nicht. So erging es mir jedenfalls schon einige Male. Sebastian erwähnt ja da so etwas weiter oben im Interview.
- Marco: (lacht) Ja na klar. Das passiert zwangsläufig, weil man als Fotograf aufgrund der Erfahrung zumindest meint, die zu fotografierende Situation richtig einschätzen zu können, sprich, was sich visuell umsetzen lässt und was nicht. Die Thematik des „willentlich Ertränktwerdens“ empfand ich sofort als eher schwierig, weil sich eine solche Situation dem alltäglichen Erfahrungsschatz entzieht. Während man mithilfe eines Videos den Ablauf einer derart unbekannten Situation in seiner Gesamtheit darstellen könnte, hat man für ein Foto nur eine einzige Momentaufnahme zur Verfügung, die alles ausdrücken muss. Darin müssen also zwangsläufig alle bzw. genügend Details oder Bildelemente enthalten sein, die der Betrachter kennt und die so bei ihm eindeutige Assoziationen und/oder Antizipationen auslösen. Fehlen diese Details oder sind diese nicht stimmig, resultiert das in wilden Interpretationen. Das Cover sollte aber eindeutig sein. Daher hatte ich zunächst Zweifel, ob es uns gelingen wird, sowohl alle notwendigen Details in Mimik, Gestik und Körperhaltung ausfindig zu machen als auch ob diese dann von den Darstellern präzise umgesetzt werden können.
- Popper: Keine Frage, eine sehr schwierige Aufgabe. Wie hast du dich vorbereitet? Welche Entscheidungen musstest du treffen, um das Ergebnis dann auch den Vorstellungen entsprechen zu lassen? Also was durfte auf keinen Fall schief gehen um das Projekt nicht zu gefährden, und damit den Tag X praktisch wiederholen zu müssen?
- Marco: Zur Vorbereitung habe ich mir mehrmals die Coverszene vorgestellt und nach den wichtigen Details in Mimik, Gestik und Körperhaltung gesucht, die auf freiwilliges Ertränktwerden und verzweifeltes Ertränken hinweisen. Alles Weitere war Freestyle und glückliche Fügung. Die Anfrage an mich kam sehr kurzfristig und da die konzeptionelle Planung somit im Voraus bereits gelaufen war, hatte ich weder Einfluss auf die Darstellerauswahl und deren Kleidung noch auf die Location, die Stephan scouten musste, weil ich noch nicht vor Ort sein konnte. Ein konzeptionelles Fotoshooting unter solchen Voraussetzungen erfolgreich bestreiten zu wollen, erforderte viel Optimismus. Aber Hoffnung war ja auch das Thema des Albums (lacht). Als dann aber unsere zwei wirklich passenden Darsteller Mario und Katja in toller Kleidung souverän ihre phänomenal ausdrucksstarke Performance im kalten Wasser ablieferten, waren alle Zweifel verflogen. Neben den üblichen fotografischen Entscheidungen (Perspektive, Framing, Blende usw.) musste ich da lediglich die vielen Details der Mimik, Gestik und Kleidung im Blick behalten bzw. ergänzen und nachjustieren. Ich bin heute noch super fasziniert und dankbar, wie lange – am Ende eineinhalb Stunden! – es Katja und Mario im kalten Wasser ausgehalten haben und nichtsdestotrotz ihre Rollen so intensiv gelebt haben. Das war wirklich ergreifend und absolut ausschlaggebend für den Erfolg des Shootings.
- Popper: Wirklich beeindruckend, und das Resultat ist über jeden Zweifel erhaben. Marco, hattest du eine klar definierte Arbeitsweise, einen Faden, nach dem du fotografiert hast? Wie hast du auf – ich sag mal – versuchte “Eingriffe” oder neue Vorschläge in deinen Arbeitsablauf von Seiten der Beteiligten reagiert, so es sie gab?
- Marco: Ursprünglich war das einzige Ziel des Shootings, das Coverszene fotografisch umzusetzen. Das ging aufgrund der unglaublich guten Performance der Darsteller recht fix. Anschließend hab ich dann in Eigenregie noch weitere Situationen mit Katja und Mario inszeniert und fotografiert, die mir als sinnvoll erschienen, um damit ergänzend eine kleine Story um das Coverfoto herum erzählen zu können. Was somit eher beiläufig geschah, stellte sich dann im Nachhinein als fundamental für die Gestaltung von CD Booklet, Vinyl und Merch heraus. Eingriffe oder neue Vorschläge seitens der Band gab es dabei keine, da hatte ich komplett freie Hand.
- Popper: Eine Frage, die mich natürlich sehr interessiert, wie hast du dein Licht gemanagt? Bist du generell von natürlichem Licht ausgegangen, oder hast du mit Blitzlicht gemischt. Oder war Kunstlicht vielleicht eine Art Fallback?
- Marco: Aufgrund der Dokumentarfotografie bin ich ein großer Fan von natürlichem Licht, weil es, anders als Blitzlicht, nicht die Situation zerstört, indem es die Aufmerksamkeit auf den Fotografen lenkt (letzteres ist eine interessante Sichtweise – Anm. d. Verf.) Ich suche oder schaffe mir daher lieber das passende Licht aus dem, was verfügbar ist. Für das Coverfoto wollte ich unbedingt bläulich kühles Licht bzw. die frühe Morgensonne nutzen. Über eine entsprechende Positionierung der Darsteller zur Sonne habe ich dann den Kontrast variiert, um die jeweilige Situation zu untermalen. So verstärken die harten Kontraste des Coverfotos die intensiv mysteriöse Stimmung, wohingegen die weichen Kontraste bei der Abschiedsumarmung des Paares im Wasser Ruhe und Nähe vermitteln. Mit Kunstlicht hätte das natürlich auch alles funktioniert, aber mit einem bedeutend größeren Aufwand hinsichtlich Equipment, Assistenten und Planung.
- Popper: Als ich für Gesichter einer Szene in der Ostsee stehend fotografierte, kamen ganz schnell Gegebenheiten dazu, die ich so nicht bedacht hatte oder kommen sah. Konntest du trockenen Fußes die Kamera bedienen oder war die Watthose dein Freund?
- Marco: Anstatt der Watthose hab ich lediglich alte Turnschuhe eingepackt um sorgenfrei durch den See waten zu können. Nur bis zu den Knien im Wasser zu stehen, hat sich allerdings schnell als hinderlich herausgestellt. Also hab ich es kurzerhand den Darstellern gleich getan und mich bis zur Brust in die Fluten gestürzt, um aus besseren Perspektiven fotografieren zu können. Dieses „gemeinsame Leiden“ im kalten Wasser hat uns gefühlt auch irgendwie verbunden. Und das spiegelt sich dann in einer größeren Intimität in den Bilder wieder.
- Popper: Abschließend noch die etwas ketzerische Frage: und was hat nicht geklappt? Sind Teile des Equipments in den Tiefen versunken? 😉
- Marco: Alles hat erstaunlich gut geklappt. Lediglich meinen ständigen Wechsel zwischen dem Kamerastandort und den Darstellern, um deren Kleidung, Haare oder Körperposition nachzujustieren, hätte man mit ein oder zwei Assistenten zielführender gestalten können. Aber schlussendlich ging es auch ohne. Mein Equipment habe ich zum Glück nicht versenkt. Allerdings ist es immer riskant, nah an der Wasseroberfläche ohne Underwater-Case zu fotografieren. Denn sobald man im „Flow“ ist, nimmt man einfach nur noch das wahr, was im Sucher der Kamera passiert. Dass das Objektiv plötzlich halb im Wasser hängt, merkt man dann erst, wenn es zu spät ist. Und obwohl ich das schon mehrmals zuvor erlebt hatte, ist es mir auch hier wieder passiert. Zum Glück aber nur minimal und ohne Schaden.
Erlaubt mir zum Abschluss noch auf das Layout zu sprechen kommen, zweifellos ein ebenso wichtiger Aspekt wie das Coverfoto selbst. Die Gestaltung von “The Renaissance Of Hope” lag – wie bereits erwähnt – in den Händen von Bassist Stephan, los geht’s:
- Popper: Stephan, nach welchen Kriterien hast du die Fotos ausgesucht und fiel es dir schwer, die finalen Bilder zu bestimmen?
- Stephan (Décembre Noir): Marco hatte schon vorab eine Auswahl der stärksten Bilder gemacht. Beim Cover-Motiv waren wir uns gleich sicher, dass es genau das sein muss. Marios (Darsteller – Anm. d. Verf.) Leiden in seinem Gesichtsausdruck und die Dynamik und Kraft seiner Bewegungen waren einfach perfekt. Der rechte Arm drückt mit aller Kraft nach unten und der linke Arm versucht sie irgendwie noch rettend über Wasser zu halten. Diesen starken Moment hat Marco perfekt eingefangen. Für das Backcover hatten wir mehrere Varianten und mussten uns letzten Endes für eins entscheiden. Das ausgewählte hatte wieder den stärksten Ausdruck und das Gefühl des Abschieds war bei diesem Bild am Stärksten. Auch hier haben die beiden Protagonisten wieder einen krassen Job gemacht. Beide haben sowas ja noch nie gemacht, aber sie waren so sehr in ihrer Rolle drin. Da standen wir alle ab und zu ganz schön sprachlos daneben. Zum Glück hatte Marco die großartige Idee, noch mehr Szenen als die des Coverfotos zu fotografieren. Er wollte noch ein bisschen die Geschichte drum rum erzählen. Das war super, denn dadurch hatten wir noch viel Material für das Booklet.
- Popper: Das Layout von Cover und Inlaycard der Vinylversion zeichnen sich durch eine sehr gute Lesbarkeit aus, dazu gibt es diese feinen Linien im Stil – ich sag mal – einer “Diagrammkurve”. Ärgerst du Dich ähnlich oft wie ich, Booklets in die Hand zu bekommen, die fast nicht zu lesen sind? Was war dein Ansatz bei Auswahl von Typo und Farben? Und ist es dir schwer gefallen, diese feinen Linien so marginal einzusetzen – könnte mir vorstellen, man schießt da schnell über das Ziel
- Stephan (Décembre Noir):Ich bin da als ausgebildeter Grafikdesigner auch echt picky und sehe sowas natürlich nochmal viel kritischer als Leute, die nicht jeden Tag mit einer ästhetischen Außenwirkung zu tun haben. Mich ärgert das auch immer. Manchmal gehört es zum Stil, da find ich es auch richtig gut. Dann muss es aber das Gesamtbild verstärken und unterstützen und wirklich gut gemacht sein. Ich wollte eine zarte Type, elegant und auch ein bisschen klassisch. Sie musste zum Thema, zur Stimmung und natürlich auch zur Kleidung der Protagonisten passen. Sie sollte gut lesbar sein und sich trotzdem ins Gesamtbild einfügen, ohne sich zu wichtig zu machen. Ich mag typografische Raffinessen sehr und habe versucht ein paar kleine Schönheiten mit einzubauen, ohne alles zu überladen. Die Linie war ursprünglich ein Hilfsmittel, um den Titel des Albums zu verstärken. Ich wollte die beiden Pole Renaissance und Hope gleichzeitig trennen und wieder verbinden. Da kam mir die Idee mit der Flatline. Ein letzter Schlag, der gleichzeitig Ende und Anfang sein kann. (Genial! Anm. d. Verf.) Ein Element, das ein gewisses Bild erzeugen kann, aber noch Interpretationsspielraum lässt. Mir war schon bewusst, dass ich das sehr spartanisch einsetzen muss. Es ist ein dankbares grafisches Element, um damit zu spielen, aber genau dann muss man sehr vorsichtig im Einsatz sein. Farblich hatten wir schon im Vorfeld des Shootings eine gewisse Richtung festgelegt. Ich habe in der Ideenfindung zum Albumcover schon Bilder herausgesucht und eine gewisse Tonalität vorgeschlagen. Ich habe dann allen Bildern aus dem Shooting ein einheitliches Grading verpasst, sie bearbeitet und ein bisschen dramatischer gemacht, ohne ins Kitschige abzufallen. Es sollte ein konsistentes visuelles Gesamtbild geschaffen werden, was das ganze Album- und Cover-Konzept unterstützt und noch stärker macht.
Danke an Stephan, Marco und Sebastian für ihre interessanten Einblicke. Ich hoffe, wir konnten dem geneigtem Leser vermitteln, wie wichtig – neben der Musik – das Erscheinungsbild eines Albums sein kann. Vielleicht (ver)führt dieser Artikel auch dazu, sich beim Anhören von “The Renaissance Of Hope” nochmals mit dem Artwork zu beschäftigen, in welches die Protagonisten so viel Herzblut gesteckt haben.
2 Comments
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Ich danke sehr für Aufmerksamkeit, wie Lob.
Ich hielt ja das Motiv vom Cover beim ersten Hinschauen für eine Täuferszene 🙂 Hätte ja auch ein bissel zum Albumtitel gepasst. Bei genauerem Hinschauen, sieht man dann natürlich schon, dass hier zwar jemand erlöst werden soll, nur eben andersrum. Cover gefällt mir sehr gut und das Artwork von innen lässt die passende Story dazu erahnen.
Ich finde es auch immer wieder geil, worüber man so lamentieren/philosophieren/analysieren kann. Absolut lesenswerter Beitrag. Chapeau!