Gesichter einer Szene No. 75

Mit dieser Folge von „Gesichter einer Szene“ habe ich nun 75 Metal Fans porträtiert, und auch wenn sich die Abstände der Präsentation zwischen den „neuen“ Gesichtern in den letzten Monaten vergrößert haben, so ist es mir nach wie vor eine Herzensangelegenheit, die Reihe zu erweitern.

Knackpunkt bleibt eben die Terminfindung, nicht unbedingt auf meiner Seite, das nicht, aber es ist eben kompliziert und da ich meinen Protagonisten in Spé nicht andauernd auf den Wecker gehen möchte, dauern die Prozesse eben.

Mit Sebastian verlief es mal sehr reibungslos. Als sich ankündigte, dass er mit seiner Band Décembre Noir den Kulturhof in Lübbenau ansteuern würde, reichten ein paar ausgetauschte Nachrichten um ein Treffen zu arrangieren, da ich mich ebenfalls auf die einstündige Reise in den Spreewald begeben wollte, um eben diesem Konzert beizuwohnen.

Aber ich wollte natürlich auch ein bisschen Spaß haben. Heißt, ich wollte nicht unbedingt am gleichem Abend mit dem Auto zurückfahren müssen. Hier kommen unsere Freunde Anke & Steffen ins Spiel, welche mir und meinem Mitreisenden Evil die Möglichkeit boten, in ihrem Camper zu pennen. Die Wohnung der Beiden wurde bereits vom Décembre Noir Tour-Tross aufgefüllt und wir waren sehr dankbar für diese Option.

Es ist Freitag, die Arbeit liegt hinter uns, das Wochenende vor uns. Unsere Gastgeber sind so aufmerksam uns ein Pils anzubieten, bevor wir uns dann auf den Weg zu Klub machen.

Am Kulturhof ist bei unserer Ankunft noch nicht so viel los, wir gehen rein und checken die Lage, treffen die ersten Bandmember und ich handle mit Sebastian sogleich aus, wann es für ihn gut passt, unser Fotovorhaben zu bestreiten. Allzu lange wollen wir damit nicht warten, was jetzt keine Frage des Lichts ist, sondern schon eher eine Frage des Ablaufs an diesem Abend. Zwar gibt es zwei Vorbands, aber da möchten wir ja auch mal einen Blick drauf werfen, abgesehen davon, dass ich mit meinem Anliegen freilich so wenig wie möglich Umstände bereiten möchte.

Der Kulturhof in Lübbenau liegt am/beim Bahnhofsgelände der Stadt, weit genug entfernt keinen Anwohner mit lauter Mucke zu stressen, ein paar abgeranzte Gebäude in naher Umgebung eingeschlossen.

Wir müssen also nur ein paar Schritte um die Ecke gehen, um etwas Geeignetes zu finden. Es ist Anfang April, weshalb es gegen 20 Uhr auch schon dunkel ist. Das Licht der Straßenlaterne brauche ich nur beim Auf- und Abbau meiner Blitze, und natürlich macht es sich auch besser im anschließendem Gespräch, wenn wir nicht komplett im Dunkeln labern 🙂

Die Zeit vergeht mal wieder ziemlich schnell, Fotos und Interview sind gespeichert, und so hören wir, dass die erste Band bereits durch ist, was Sebastian als Zeichen nimmt, sich um seine Musik hier zu kümmern. Natürlich, und klar, für eine gemeinsame Suppe wird sich später noch eine Gelegenheit bieten.

So bin ich dann auch gerade wieder im Klub, als sich mit den Schweden Zornheym die zweite Band in Position auf die Bühne bringt. Der Klub ist nun doch gut gefüllt und Zornheym gelingt es schon bei den ersten Songs, die jungen Leute zum Bangen zu bringen. Ich gucke mir das wie immer drei Songs in Ruhe an, bevor ich ein paar Livefotos machen werde. Und just nach dem dritten Song ist der doch gut am Rad drehende Pulk vor der Bühne erst mal verschwunden – keine Ahnung, ob jetzt Zigarettenpause angesagt war, jedenfalls etwas eigenartig. Technisch sind Zornheym über jeden Zweifel erhaben und haben mit ihrer Mischung aus Death- und Blackmetal durchaus meine Sympathie, aber so ganz möchte der Funke bei mir nicht überspringen, es trifft meinen Geschmack nicht komplett, aber hey, das ist Jammern auf hohem Niveau.

Bei Décembre Noir sieht das etwas anders aus. Das neue Album der Erfurter hat seit Erscheinen schon etliche Runden auf meinem Plattenspieler gedreht, ein tolles Album, welches eben meinen Nerv getroffen hat, auch ein Grund, warum ich heute Abend hier bin.

Unsere Gastgeber in der ersten Reihe
Unsere Gastgeber in der ersten Reihe.

Obschon der Gig nicht ganz ohne anfängliche technische Probleme ablief, bieten Décembre Noir eine solide Show, die durchaus auf die Musik der Band abgestimmt ist. Eine Performance also, die mit einer gewissen Introvertiertheit einhergeht, welche sich dann in bestimmten Passagen die Luft nimmt, richtig durchzuatmen, eben heftig zu sein. Klasse!

Abschießend zischen wir noch ein paar Bierchen im Klub und irgendwann sind wir auch schon wieder in unserer Gästewohnung angekommen. Steffen legt noch eine Scheibe auf den Dreher, es gibt noch ein Absackerbier und nach einigen obskuren Gesprächen und lustigen Anekdoten aus dem Touraltag ist dann auch Sendeschluss.

Evil und ich kriechen in „unseren“ Van und schlafen den Schlaf der Gerechten, bis mich – die Sonne steht schon eine Handbreit über dem Horizont – der Harndrang auf den Acker treibt. Die Morgenfrische und das geile Licht lassen mich noch fix die Kamera zücken, es gibt eben Momente, da muss man das tun.

Eine kleine Mütze Schlaf ist dann noch drin. Als wir Aufstehen sind Décembre Noir gerade dabei, in ihre Tourtranse zu steigen. Bye-bye, bis zum nächsten Mal!

Nach einem leckerem Frühstück drücken wir zum Abschied unsere Freunde. Danke für Alles!

Steckbrief:

Sebastian (41) Tischler

Fan, Musiker

Sebastians Erinnerung an seinen Einstig in musikalische Aktivitäten speisen sich aus eher undramatischen Erlebnissen im elterlichen Zuhause, wo der Vater gern mal das Akkordeon spielte und der ältere Bruder sich der aktuelleren Popmusik widmete.

Zu diesem Zeitpunkt mochte der junge Sebastian noch nicht gewusst haben, welche Entwicklung ihm bevorstand, derweil er sich durch die Kassetten des Bruders hörte – ohne nennenswert Aufregendes zu entdecken, vor allem, wenn nicht klar war, was es denn überhaupt zu entdecken gab.

Mit dem Umzug in eine vielleicht 200 Seelen zählende Gemeinde, als er so um die elf, zwölf Jahre alt war, zeichneten sich Veränderungen ab. Es klingt verrückt, aber in dem Örtchen hörte die komplette Jugend und die jungen Erwachsenen Hard Rock und/oder Metal, was sicherlich schon mal eine anständige Clique dargestellt haben dürfte.

Und so wurde in der Schule (hoffentlich 😉 ) nicht nur gelernt, sondern die Kids übten sich darin, ihre Klamotten so zu gestalten, wie sie es von ihren älteren Musikfans im Ort vorgelebt bekamen. Die Ärmel der Jeansjacken wanderten in den Müll und der damals von Lehrern verpönte Kugelschreiber taugte 1A dafür, das erste Maiden Logo auf die Kutte zu kritzeln.

Hier also durchlief Sebastian all die Stationen, die ihn zum Musikliebhaber werden ließen, Tapes wurden getauscht, des nachts Radiomitschnitte angefertigt um sie am nächsten Tag mit den Kumpels auszuwerten. Wir schreiben die späten 80er Jahre, der Metal wurde vielschichtiger, auch härter und die Schriftzüge auf den Federtaschen unlesbarer.

Jedoch, Sebastian hatte auch nichts dagegen, Namen noch lesen zu können, und Texte zu verstehen, und so liefen Alben wie die 91er Metallica oder auch „Nevermind“ in friedlicher Koexistenz zur „Arise“ von Sepultura und den ersten Schwedentod Platten.

Zu dieser Zeit boten sich gerade im Osten der Republik eine Unmenge an guten Konzerten an, besucht zu werden, und Sebastian erlebte die ersten Gigs als er um die 15 war, was wohl unterschwellig das Verlangen hervor brachte, selbst Musik zu machen.

Wie in vielen Ecken des Landes fanden sich junge Leute zusammen um ihre ersten Gehversuche in allen erdenklichen Bandkonstellationen zu unternehmen. Proberäume gab es in der mit Unterstützung der Treuhand leer geräumten Ex-DDR zuhauf. Und diese Räume waren riesig, hatten miesen Sound und waren im Winter unheizbar.

Aber, es gab immer welche unter den Musikern, die nicht aufgaben, die weiter verbissen an ihren Instrumenten übten, die dann Bands gründeten, welche mehr als nur den lokalen Jugendklub bespaßten. Sebastian war einer von ihnen und sein Engagement mündete ab 2008 schließlich in sein wichtigstes musikalisches Projekt: Décembre Noir

Spielt Gitarre bei: Décembre Noir

Spielte bei: Abyzz, Akrasatrum, Aeon Of Fear

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