Ein musikalischer Rückblick auf das Jahr 2017
Ich erinnere mich nicht, einmal ein Jahr erlebt zu haben, welches in musikalischer Hinsicht in Gänze als langweilig oder unbedeutend für mich ausgefallen wäre. Nein, solch schlechte Jahrgänge gab es nie, und sollte es sie gegeben haben, so habe ich derer sicher schon wieder vergessen 😉
Auch dies nun scheidende Jahr hielt allerlei aufregende Musik, Konzerte oder Festivals bereit, ich blicke für euch und für mich zurück.
Das neue Jahr beginnt für mich mit allerlei Aufregung, denn Ende Januar schaffe ich es mit viel, viel Glück, Hoffen und Bangen zur Record Release Show der neuen Kreator Scheibe in den kleinen Club „Musik& Frieden“ in Berlin. Kreator in einer Club-Show zu sehen und auch fotografieren zu können – das hätte ich ja fast nicht mal zu träumen gewagt.
Am 01.Februar starte ich die Petition zum Erhalt des Sendeplatzes vom Stahlwerkradio. Gemeinsam mit Dirk vom Metal Guardian, Gene und Gustl von Scram, sowie meinem Sohn Moritz geben wir einen Monat lang alles, um am Ende die Ignoranz des rbb gegenüber den Hörern der Sendung zu spüren zu bekommen. Der Sendeplatz wird verschoben, Jakob verabschiedet sich vom RBB und findet eine neue Heimat bei Star FM, die durch die vielen tausenden Unterschriften der Petition auf die Umstände aufmerksam wurden und reagierten.
Ebenfalls im Februar besuchen wir zum ersten Mal die Frostfeuernächte. Ein kleines, exklusives Festival in der Nähe von Königs Wusterhausen. Die Temperaturen sind der Veranstaltung angemessen und der See vor Ort tief gefroren. Im Konzertsaal dagegen geht es heiß her, wobei uns der Sonnabend mit Fäulnis, Arroganz und Endstille am besten gefällt. Sehr schöne Atmosphäre, nette Menschen.
Bis Mai wird es etwas ruhiger, dann erleben wir zwei Tage hintereinander unsere Jungs von Tormentor. Tag eins Blackland Berlin, Tag zwei geht in die 1. Pestbaracken-Party im laufenden Jahr über. Der Wonnemonat schließt mit Absu und den fantastischen Hate im Gladhouse Cottbus.
Der Juni beginnt mit dem Gahlen Moscht, der Montag darauf markiert mein wohl größtes Highlight in 2017 – Fates Warning.
Die Band gehört zweifelsohne zu meinen größten Favoriten in Sachen Progressive Metal, die Show ist einfach umwerfend. Ein ganz persönliches Foto der Band für die „Durchgerockt“-Reihe – welches ich mir wirklich hart erarbeitet habe – rundet den Abend ab. Einfach irre!
Drei Tage später fahren wir auch schon in Richtung Vogtland zum Chronicle Moshers Festival, welches wir ob seinem Ambiente und der guten Stimmung unter den Fans sehr genießen. Es wieder zu besuchen ist schon eingeplant, noch bevor wir richtig zu Hause sind 🙂
Danach wird es dann etwas ruhiger, was mir etwas Zeit und Muße gibt, mich durch den nun entstandenen Bilderberg zu kämpfen; drei Hochzeiten waren in diesem Zeitraum auch fotografisch zu betreuen und aufzuarbeiten. Musik gibt es also in dieser Zeit hauptsächlich durch neues Vinyl oder neue Alben auf Spotify zu hören.
Im September steigt die Arroganz Record Release Party im Muggefug, einen Tag später gefolgt von unserem Neiße Metal Meeting hier in Guben, zwei Veranstaltungen quasi direkt vor der Haustür.
Mitte Oktober läd die Pestbaracke in Eisenhüttenstadt zum zweiten, großen Konzertereignis des zu Ende gehenden Jahres, welches mit Soul Demise, Bloodpunch, Décembre Noir und Deserted Fear jede Menge Spaß bereitet.
Zwei Wochen später stehen wir in Berlin vor Daily Insanity – der neuen Band um meine ehemaligen SCRAM Mitstreiter – im Vorprogramm von Cripper und Hammercult. Es ist ein ziemlich emotionales Wiedersehen und ich bereue es zu keiner Sekunde, den Weg auf mich genommen zu haben.
Im Dezember besuchen wir dann noch einmal das Gladhouse Cottbus. Six Feet Under sind mit vier weiteren Bands vor Ort, welche jede für sich ihre Qualitäten mitbringt. Ein durchaus sehr gelungener Abend, welcher zudem sehr gut besucht wurde.
Und sonst?
Vielleicht noch: im November begann ich, mir ein eigenes Musikzimmer einzurichten. Neben dem Anschaffen von ein paar alten Technik-Schätzchen – die auch gern mal etwas Zuneigung benötigen – galt es vor allem, das Zimmer mit allerlei Accessoires, wie Fotos in allen möglichen Variationen und Größen (klar 😉 ), Tourpostern, Setlisten, Zeitschriften, Fotobüchern zum Thema, Bierdeckeln (wichtig! 😉 ) Sitzsofa und Clubtisch auszustatten.
Das ganze ist natürlich noch nicht in Gänze abgeschlossen, wird es vielleicht auch nie, das ist wie mit der Plattensammlung, die wird ja auch Stück um Stück erweitert, aber nie vollständig sein 😉
Und damit wären wir auch schon bei der Musik, die ja das Bindeglied zwischen all dem hier ist.
Dazu möchte etwas näher auf meine Lieblingsscheiben eingehen, wobei ich etwas mehr Augenmerk auf drei lokal zu verortende Veröffentlichungen legen möchte.
Das Jahr 2017 war für mich ein ziemlich besonderes Jahr, da es einige Veröffentlichungen gab, die auf wundersame Weise sehr viele Elemente des – Zitat: Steven Wilson – „Avantgarde“ Pop – in die Musik einfließen sahen. Noch verwunderlicher, da es sich bei den Musikern um solche handelt, die durchaus der Metal Szene im weitesten Sinne zugeordnet werden können. Als alter Popper ist das natürlich Balsam in meinen Ohren, deswegen oft und viel gehört, deshalb finden sich die Alben von Steven Wilson und eben Ulver in meinen Top fünf, auch wenn es eigentlich Pop Scheiben sind – wer Willens ist, die Scheuklappen abzulegen, kann hier ganz großartige Musik kennenlernen.
Dools „Here Now, There Then“ würde ich als eine aufregende Scheibe bezeichnen, die sich in der Tradition zu Okkult Rocker The Devil‘s Blood sehen ließ. Wunderbare Songharmonien, toller Gesang von Ryanne van Dorst, mit Gastgesängen von Farida Lemouchi.
Die neue Arroganz ist gar nicht so weit weg von solcher Musik, wie erscheinen möchte. Freilich oft rabiater und härter, aber dennoch mit dem Hang zu kraftvollen, doomigen Passagen. Meiner Meinung nach das bisher reifste Werk von Arroganz. Den Musikern gelingt es bei den Songs oft, ein Gefühl der Beklemmung aufzubauen, welches sie jedoch – geschickt Spannung erzeugend – in lautem Chaos aufgehen lassen, was durchaus wie befreiend wirken kann. Das Artwok kommt der Musik entgegen, es gibt sich minimalistisch, ohne viel Pathos um die Band selbst zu machen, schwarz und dunkles blutrot passen perfekt zum Dargebotenem, einzig das Layout fand ich anstrengend, weil teils schlecht zu lesen.
Und wo wir schon einmal bei – zumindest meinem lokalen Umfeld zuzurechnenden Bands sind – gab es ja da noch eine neue Scheibe „meiner“ Tormentor Jungs und das Debüt der 2013 gegründeten Antimensch.
Auch bei Tormentor höre ich das bis dato beste Werk der Lausitzer, die Songs sind auf der aktuellen Scheibe abwechslungsreicher denn je, das Songwriting wurde durch echte Teamarbeit innerhalb der Band noch facettenreicher. Auf „Morbid Realization“ finden sich Thrash Metal würdige, nach vorn treibende Nackenbrecher, ebenso wie Songs, deren Strukturen deutlich komplexer ausfallen, dabei den Zuhörer jedoch immer wieder in den Lauf des Songs zurückholend, sollte sich dieser doch einmal verlieren. Und genau so muss das! Es gibt an vielen Stellen musikalische Elemente zu hören, die bisher auf einem Tormentor Album weniger vorhanden waren, aber eben auch den musikalischen Werdegang und die Vorlieben der Musiker gut widerspiegeln. Abgerundet wird die Scheibe durch ein ziemlich krasses Artwork, welches den textlichen Aspekt der Musik meiner Meinung nach recht deutlich werden lässt, eine deutliche Reminiszenz an eine politisch und gesellschaftlich irre Zeit, die nicht eben als sorglos zu bezeichnen ist.
Bis zur Fertigstellung der neuen Antimensch sind einige Jahre ins Land gezogen, und aus erster Hand weiß ich, wie aufreibend die Produktion verlief, mit welcher Hingabe dieses Debüt entstanden ist. Diese Hingabe hört man dieser Platte auch an. Es ist das homogene Stück Black Metal einer Band, die sich in gewisser Hinsicht von ihrem eigenen Vorläufer auf ganz bestimmte Weise abzugrenzen versucht.
Es ist beileibe keine musikalisch neue Band, das nicht, dazu sind Antimensch zu sehr die Musiker von Schleisse Stankend Gliud. Jedoch, die neuen Songs sind treffender zu dem Ansatz dem Antimensch zu Grunde liegt, gerade in textlicher Hinsicht. Ohne Umschweife direkt, manchmal böse, kritisch, angreifend. Die Musik ist nicht eben einzigartig – wer kann so etwas von seiner Musik heute noch behaupten – aber in „Sei Gott“ geht diese Musik als Gesamtkonzept aus eben den Texten, dem aufwendig gestaltetem Booklet und dem Coverartwork auf. Du sitzt eben da, hörst dir diese Platte an, liest die Texte und betrachtest das Cover und die Musik wird wird zum Bindeglied… Das ist Musik für die Dunkelheit, also lege die Platte auf, wenn es Dunkel ist!
Wenn es Sommer ist, die Tage, lang, die Nächte kurz und voller Rausch, dann leg dir die „Amber Galactic“ von den Schweden The Night Flight Orchestra auf, das ist die Musik in der du auftanken wirst, in der das Leben lebt.
Und du wirst es brauchen, denn die dunklen Zeiten verlangen ihren Tribut…auch wenn die Musik noch so betörend sein wird…
1. Dool – Here Now, There Then
2. Steven Wilson – To The Bone
3. Ulver – The Assassination of Julius Caesar
4. Arroganz — Primitiv
5. The Night Flight Orchestra — Amber Galactic
Weitere Highlights 2017: Deserted Fear, Disbelief, Prong, The Hirsch Effekt (!!!) Body Count, Iced Earth, Ash And Coal, Pain Of Salvation, The Obsessed, Overkill, Fäulnis, Obituary, Depeche Mode, Hate, Claire, Satyricon, Black Country Communion, Schammasch, Sinister und viele Andere, sowie Motörhead.
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