Fimbul Festival – Extrem Musik im Schatten einer Burgruine – Teil 2
Die Nacht haben wir einsfünfzich über dem Boden im Dachzelt verbracht, es mochte dann und wann ein Schauer über das Gelände gegangen sein, auf dem Camp ist es noch ruhig. Im Zelt selbst war es wirklich angenehm und in der Nacht unter dem Doppelschlafsack warm. Dazu trägt sicher auch das Baumwoll-Innenzelt bei, welches Kondenswasser nicht von den Zeltwänden tropfen lässt.
Sich Hochschrauben muss man freilich dennoch, gilt es doch den zweiten Festivaltag zu beginnen. Jedoch auch hier gibt es Verbesserungen im Camping Alltag für uns. Rund um den heruntergeklappten Teil des Zeltes, welches wie eine Art Dach über dem Kopf fungiert, spannt sich ein Vorzelt. Darin haben wir die Möglichkeit, uns, aufrecht stehend, mittels Wasserkanister, Schüssel und Waschlappen, frischzumachen und umzuziehen. Man ist also vor Blicken geschützt und hat Bewegungsfreiheit, die man sonst nur in einem wirklich großen Bodenzelt hätte. Geräusche werden freilich fast ungefiltert weitergeleitet und so kommt es, dass Steffen – welcher nebenan das Frühstück vorbereitet – „na na na!“ herüber ruft, als ich Wasser aus dem Tank in die Schüssel lasse… Nein, natürlich verrichte ich keine Notdurft im Vorzelt 😉
Im Camper unserer Freunde wird Kaffee aufgebrüht, der Tisch ist reich gedeckt und wir lassen beim Frühstück den letzten Tag Revue passieren. Der Himmel zeigt sich wolkenverhangen, Kapu und Lederjacke finde ich angemessen, noch einen Kaffee und es beginnt das Spielchen, wer als erster ein alkoholisches Getränk angemessen findet 🙂 Ein Gruppenfoto folgt.
Wir vier lieben es, unsere Realitäten von Zeit zu Zeit abzugleichen, in diesen turbulenten Zeiten erst recht. So sitzen wir nun und es entspannt sich ein Dialog über die Covid19-Maßnahmen, deren Gegner, Schwurbler, Nazis, die Klimakatastrophe, Gesellschaftsformen, Empathie, die Zukunft …und und und. Bis sich zwischendurch der Bornstedter und Zeltplatzwart Yves Kaczor zu uns gesellt uns uns einen kulturpolitischen Einblick in das Leben der Bornstedter gewährt. Wir erfahren wie sich der kleine Ort gegen die oft unsinnigen und unpassenden Beschlüsse der unbeweglichen Landespolitik wert, aber auch, dass die AfD bei den letzten Wahlen leider zulegen konnte.
So um halb sechs am frühem Abend rüsten wir zum Aufstieg. Da uns geraten wurde, unser Camp mal „anders rum“ zu verlassen, sparen wir bis zur Treppe hinauf zur Burg einen beträchtlichen Bogen an Fußweg… der Anstieg selbst verlangt freilich wieder eine gewisse Anstrengung.
J. holt sich an der Cocktail-Bar einen Drink, ich besorge für uns andere Bier. Die erste Band stand heute gegen 15 Uhr auf der Bühne und soeben beenden Theotoxin ihre Show. Die nun kommende Band spielt eher Pagan Metal, was nicht meinen Nerv trifft, und so gehe ich während deren Set der sinkenden Abendsonne am westlichen Ende des Burggeländes entgegen, weil deren Strahlen so geheimnisvoll durch den angrenzenden Wald drängen.
Dazu flaniere ich den leicht ansteigenden Weg voran an den sanitären Einrichtungen und am Burgturm vorbei, und werde dann mit einen herrlichen Ausblick über das Mansfelder Land belohnt. Die dramatischen Wolkenformationen, die aber immer mal wieder die Sonne hindurch lassen, begeistern nicht nur mich. Es stehen hier „oben“ einige Festivalbesucher und halten Ausschau. Ich gehe zunächst zurück zu den anderen, um kurze Zeit später mit J. wieder hier anzukommen, denn, abseits der Aussicht: hier gibt es so einen lecker duftenden Imbissstand mit Baguettes… es ist Zeit für das Abendmahl, die Sonne taucht nun hinter dem Horizont unter.
Pünktlich zu Waldgeflüster sind wir dann vor der Bühne. Musik, wie sie die Münchner über das Festivalgelände gossen, ist ja fast schon wie ein Soundtrack für so ein Ambiente, in welchem sich das Fimbul Festival abspielt. Entsprechend euphorisch wurde die Band aufgenommen. Als ich die Band 2018 auf den Frostfeuernächsten sah, gab es allerdings noch keinen zweiten Sänger, jener dürfte mit seiner Darbietung viele Gäste positiv überrascht haben. Später wurde mir zugetragen, es handle sich dabei um den Bruder des Sängers, welcher mit ihm 2011 am „Femundsmarka“ Album beteiligt war. (Danke Irsin, für die Info).
Bier!
Meinen zweifellosen Höhepunkt am Samstagabend stellen The Spirit dar. Ich sah die Jungs 2019 in Hütte schon mal und mir ist die Musik der Band ziemlich gut bekannt und ich schätze sie. Keine Ahnung, ob ich damals gepennt habe, aber mit so einem Abriss habe ich nicht gerechnet. Auch meinte ich, einen verstärkten Progressive Anteil im Spiel der Band zu bemerken. Dazu war ein nicht unerheblicher Teil des Gesangs an Chuck Schuldiner angelehnt, und das meine ich durchaus als Kompliment. Ich als Prog-Fan bekomme eh immer zu wenig solcher Musik auf Festivals geboten, sodass mich der Gig von The Spirit mehr als befriedigen konnte.
Dabei, viel zu sehen gabs allerdings nicht, da kein Frontlicht, aber auch daran gewöhne ich mich als Fotograf langsam. Es spielt eben schon eine Rolle, welchen Bands man so folgt und welchen Stil diese Bands wiederum verfolgen, und gerade im vielschichtigem Black Metal is’ es meist besonders dunkel, oder besser, die Protagonisten sind oft nur als Schattenrisse erkennbar.
Auch wir werden im Dunkel der Nacht langsam zu Schattenrissen. Morgen ist Rückreisetag und es sind einige Kilometer Heimfahrt zu absolvieren… wir steigen also hinab auf den Campingground, wünschen uns eine gute Nacht und fallen dem Schlaf anheim.
Der Sonntagmorgen zeigt sich von seiner besten Seite, als wir gegen neun Uhr die Leiter vom Dachzelt heruntersteigen. Auch in dieser Nacht haben wir komfortabel gepennt und als auch Anke & Steffen aus ihrem Van kriechen, sind alle bester Laune. Wir wollen nun, bevor wir unser Lager zurückbauen, etwas frühstücken und gehen dazu an die Stirnseite der Turnhalle, die hier am Rande des Camps steht.
In der Halle gibt es WCs und vor der Halle steht ein Imbisswagen, in welchem freundliche Frauen vom Sportverein Brötchen belegen, Kaffee ausschenken und Rührei (welches übrigens sehr, sehr köstlich geschmeckt hat) braten. Es gibt eine kleine Schlange, welche aber recht zügig bedient wird. Derart versorgt versammeln wir uns hier auf dem Fimbul Festival ein letztes Mal an unserem Tisch, bevor auch dieser zusammen geklappt wird und das Ende eines tollen Wochenendes mit Freunden und Gleichgesinnten markiert.
An dieser Stelle gilt es Danke zu sagen, an jene, denen offensichtlich keine Mühe zu groß gewesen ist, unter diesen besonderen, neuen Gegebenheiten ein Musikfestival zu wagen und zu veranstalten. Wir haben uns sehr gut unterhalten gefühlt und hatten immer das Gefühl, die Crew – mit all den vielen Helfern an Ton, Licht, Ausschank, Reinigung, und vielem mehr – hat alles im Griff.
Vom Burggelände geht zweifellos ein großer Charme aus, welcher durch die umgebenden Mauern und das Tor noch mehr das Gefühl verstärkt, hier ist eine Gemeinschaft dabei, Musik live zu erleben und gemeinsam zu feiern. Vielleicht etwas mehr als es auf herkömmlichen Metal Open Air Festivals der Fall ist…
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