Gesichter einer Szene No.71

Ich lümmle im Schatten eines großen Containers, welcher direkt hinter einer Dixireihe in Höhe der Haupteingangsschneise des Bühnebereichs zum „In Flammen Open Air“ geparkt ist. Der Wind steht – was die Dixis angeht – zumindest neutral, ich nippe an meiner Fruchtsaft-Pulle und scanne die Festivalbesucher durch meine Sonnenbrille. Es ist 18:00 Uhr und die Sonne ballert noch immer gut auf das Gelände. Hat sie es vergessen? Hab ich was vergessen, Uhrzeit, Treffpunkt? Hm, ich sehe Katrin nicht, normaler Weise würde sie sicher schon hier herumlungern, ich sehe sie aber nicht.

Ich gebe mir so zwanzig Minuten, dann will ich den Fotokram unverrichteter Dinge zurück zum Auto bringen, Bierdurst hätte ich auch langsam 😉 So tat ich denn auch. Nur mit der kleinen Fuji im Gepäck gehe ich zurück zur Bühne, mich der Musik hingeben…und eben dem Bier.

Kurz vor besagter Eingangsschneise kommt mir Katrin entgegen.
„Ich denke, wir treffen uns da?“, zeigt sie ein paar Meter in Richtung DRK Zelt. Ach, öhm, tatsächlich, hm, war vielleicht schon etwas spät gestern, als wir uns verabredet hatten… Auch an einen Nummerntausch hatten wir Abends nicht gedacht, was sollte schon schief gehen auf so einem familiären Festival.

Rückblende:

Kennengelernt hatten wir uns damals zu Ostern im Leipziger „Mørtelwerk“, wo ich als Fotograf für Antimensch auf der vier Tage währenden “Via Dolorosa Tour” Station machte. Damals schlängelte ich mich beim Grabak Gig leichtfüßig fotografierend durch die Reihen, als mir jemand einen Klapps auf die Lederjacke gab. Dieser Jemand, so stellte sich heraus, war Katrin, und das konnte ich natürlich nicht auf mir sitzen lassen So kamen wir ins Gespräch.

Da Katrin mit ihrer Art Metal zu leben offensichtlich sehr in mein Beuteschema für „Gesichter einer Szene“ passte, suchten wir später schriftlich nach einem möglichen Termin und nagelten diesen im Rahmen des „In Flammen“ fest.

eine frau lehnt an einem kreuz und schaut in die kamera

Nun, da wir uns ja doch noch getroffen haben, führt mich der staubige Weg abermals zu meinem Auto, diesmal jedoch in Begleitung, was mir Gelegenheit gibt, schon mal etwas über Katrins Geschichte zu erfahren.
Rucksack und Stativtasche geschultert, drehen wir eine Runde, die uns zu den bekannten In Flammen-Kreuzen am Feldweg zum Haupteingang führt, hier würde ich gern fotografieren.

zwei kreuze stehen auf einer wiese

Die recht späte Zeit vereinbarten wir tagszuvor auch mit dem Hintergedanken, die Sonne wenigstens etwas tiefer zu haben, denn die Bildidee hatte ich   bereits im Kopf 🙂 Schon beim Aufbau laufen natürlich einige Festivalbesucher eben diesen Weg auf oder ab, einige kennen Katrin, einige mich, einige kennen wir beide, was immer mal dazu führt, dass wir unterbrochen werden und ein Schwätzchen halten. Leicht anzügliche Bemerkungen – von wegen „…na wir warten hier gern noch, bis es vielleicht bei der Fotosession noch richtig interessant wird.“ inklusive.

Ich übe mich darin, mit meinem Blitz der mir entgegen strahlenden Sonne Paroli zu bieten, was mir gerade so gelingt, aber ich wollte es ja schließlich so. Als alles passt, arbeiten wir zügig denn die nächsten Schaulustigen machen sich bemerkbar.

Geschafft. Nach dieser Nummer warten auf uns beide heute Abend noch ein paar geile Bands im Kreis von Freunden. Die Fotos sind gemacht, es geht auf 20 Uhr zu, jetzt ist es aber wirklich Zeit für ein frisch gezapftes Festivalbier!

Steckbrief:

Katrin (44) Konstrukteurin

Fan

Sicherlich hat es wenig damit zu tun, in einem Schulchor gesungen zu haben, dass man später Musikfreak und Metalfan wird, das nicht. Dennoch, so meine ich, liegt bei vielen von uns der Grundstein, Musik zu lieben, zu verstehen, zu leben, in den frühen Jahren, so als Kind eben.

Bei Katrin war es genauso. In ihrer Familie gibt es den Vater und Großvater, beide spielen Instrumente, das Heim ist musikalisch, sodass Katrin mit sieben Jahren ebenso beginnt, zu musizieren. Später der Schulchor 😉 Als Teenager hört Katrin sehr genau hin, was so läuft, um festzustellen, dass das, was da so im Radio kommt, ziemlicher Mist ist – zumindest der üblicher Mainstream…Ihr älterer Bruder ist es, der damals als quasi-Mentor mit guten Empfehlungen über die Zeit hilft, in der Musik noch nicht an jeder Ecke für Nichts zu bekommen war. Mike Oldfield zum Beispiel.

Musik bekommt ein Gesicht, ein Gefühl. „Artig sein“ von Feeling B kratzt bei Katrin an eben diesem Gefühl anders zu sein, auch „Rebel Yeah“ von olle Billy Idol. Katrin bewegt sich fortan musikalisch im Dunstkreis von Gothic und Punk. Bis Anfang der Neunziger ein Album an ihr Ohr dringt, welches ihr neue Sichtweisen eröffnet: Bathorys „Hammerheart“. Dieses Album dürfte zu einem erheblichen Teil für Katrins heutiges Leben verantwortlich sein. Nicht nur für ihr Leben auch das ihrer Freunde.

Ein Leben, in welchem sie im Einklang als Mutter, Familienmensch und Sportlerin ihre Musik lebt, Konzerte und Festivals besucht, im Kreis Gleichgesinnter feiert.

eine frau lehnt an einem kreuz und schaut nach rechts

eine frau lehnt an einem kreuz und schaut in die kamera und lächelt

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