Gesichter einer Szene No.49

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Das Jahr 2016 neigt sich also langsam dem Ende. Für mich ein sehr umtriebiges Jahr in meiner Art der Fotografie, welche ich in erster Linie durch mein Projekt „Gesichter einer Szene“ voran getrieben habe. Ich habe bis auf vier Ausnahmen, jede Woche ein „neues Gesicht“ aus den Reihen der Heavy Metal Szene vorgestellt, mit Teilnehmern aus Brandenburg, Sachsen, Berlin, dem Erzgebirge (in Sachsen 😉 ) und auch Polen.

Solcherart rückblickende Gedanken gehen mir durch den Kopf, als ich das letzte mal im nun endendem Jahr für zwei Portraits nach Berlin unterwegs bin.
Ich habe wirklich sehr viele alte Bekannte und Freunde fotografiert, und neue sympathische Menschen kennengelernt. Der jüngste Teilnehmer war 16, die älteste Teilnehmerin 63, ich fotografierte in Lost Places ebenso, wie in Konzertstätten, Proberäumen, Clubs, Kneipen, Wohnungen, im Wald, am See, oder am Meer. So abwechslungsreich wie die Szenerien vor Ort, so unterschiedlich waren die Teilnehmer für Gesichter einer Szene bisher, und dennoch verbindet sie alle die Musik.
Das wohl Anstrengendste – so empfand ich es zumindest – waren die Terminabsprachen, das Schönste die Treffen, die Gespräche, das Fotografieren.
Nicht in irgendeiner Form „Abliefern“ zu müssen, nur so viele Fotos zu machen, bis man das Gefühl hat, das zu haben, was dem Protagonisten und dem Fotografen zusagt, empfand ich dazu als echten Luxus. Keine unsinnigen Posen, wenn das Foto im Kasten war, höchstens ein paar kleine auflockernden Varianten.
Das Projekt geht weiter, vielleicht etwas entspannter, denn am Ende hat mich die Serie doch ganz schön auf Trab gehalten. Neue Kontakte sind bereits geknüpft, ein paar Termine stehen schon.

Noch eine knappe viertel Stunde, und ich bin bei meinem erstem Termin (dazu später mehr an dieser Stelle), ich liege gut in der Zeit. Im Anschluss geht es innerhalb von Kreuzberg, keine fünf Kilometer weiter, voran zum „Musik und Frieden“ und dort in die Baumhausbar, in welchem das Hauptstadtstudio von Radio Fritz untergebracht ist.
Denn heute ist Donnerstag, und welchen passenderen Jahresabschluss kann es für Gesichter einer Szene geben, wenn nicht die alles umspannende Sendung für Metal Fans jeglicher Couleur, als das Stahlwerk mit Jakob Kranz?
Wie schon bei meinem ersten Treffen heute habe ich das unfassbare Glück, OHNE Parkplatzsuche, direkt gegenüber der Location, einen Parkplatz zu finden, unfassbar! Motor aus, Telefon gegriffen: eine Mail von Jakob von vor einer viertel Stunde: „Wo bist du?“ Hm, ich bin absolut pünktlich, viertel nach sechs, noch fast zwei Stunden bis die Sendung beginnt. Ich antworte ich stehe vorm Fräulein Fritz, und gleich bei ihm. Ich suche den Eingang, finde ihn hinter einer Tordurchfahrt und an der Tür der Baumhausbar einen Zettel mit der Aufschrift: vom 24.12-29.12 Geschlossen. Aha, so langsam dämmert es mir. Ich rufe Jakob an, er geht nicht ran…hm…sehr eigenartig, ich schreibe ihm eine Message, dass ich vor der Tür stehe und warte. Nach zwei Minuten wird mir geöffnet und mir fällt ein Stein vom Herzen. Wir gehen durch den Club die Treppe hoch, ich erfahre die ersten Einzelheiten für das Chaos, dann stehen wir im kleinen Studio und begrüßen uns erst einmal anständig herzlich. Während Jakob erzählt, dass er selbst von der temporären Schließung über die Tage überrascht wurde, und überall herum telefonierte, um selbst rein zu kommen, zieht er zwei türkische(?) Pilsener aus der Tasche und schließt mit den Worten: „…hier, hab ich uns mitgebracht. Ich muss jetzt noch ein paar Hebel für die Sendung umlegen, dann haben wir Zeit“
„Ok, klar, Jakob, mach ganz ruhig. Ich mach uns erst mal die Biere auf und baue derweil schon etwas Licht auf.“ Fump!
Gegen 19 Uhr ist Jakob mit allem durch, die Sendung könnte er jetzt fahren, die Verbindung zum Studio in Potsdam steht, im Grunde, ist es so wie immer, erzählt Jakob “ich fahre das Stahlwerk fast immer ganz allein von hier aus, mit den Kollegen aus dem Hauptstudio im Hintergrund ist das kein Problem” Und doch ist es diesmal anders. Normal ist nebenan Barbetrieb, man kann die Sendung mit einem Bier am kleinen Tischchen sitzend durch große Scheiben beobachten, während man sie über die Boxen hört. Heute sind nur wir zwei hier.
Da hier auch Bands kleine Konzerte geben können, gibt’s auch einiges an Lichtspots an der Decke, die über ein Pult geregelt werden können, wie geil! Ich schiebe nun am Pult die Regler so hin und her, dass ich das Fritz Logo gut beleuchtet habe und die übrigen Strahler nur vor sich hin dimmen, sie werden nur ein paar kleine Akzente im Foto setzen. Wir sind soweit, mein Hauptblitz passt, ein paar Testaufnahmen und es kann losgehen: Feuer frei! Jakob is eben ein „Medienmensch“, das merke ich sehr schnell, denn ich muss ihn wirklich nicht großartig leiten. Dafür stören Mikro und Stuhl, also weg damit. Der Stuhl ist dann im endgültigem Foto doch noch etwas zu sehen, den hab ich so nicht bemerkt, passiert also doch immer mal 😉
Noch ein Foto von uns Beiden mit Selbstauslöser und der Kamera auf dem Stativ… fertig.
Schön, dass wir noch ausreichend Zeit für ein halbstündiges Gespräch finden, in dem es freilich um Jakobs Weg in und mit der Musik geht, amüsant und gespickt mit köstlichen Anekdoten.
Dann ist es kurz vor 20 Uhr, gleich geht die letzte Stahlwerk Sendung für 2016 mit dem Hörerpoll über den Äther, die zwanzig besten Songs in der Hörergunst warten darauf gespielt zu werden.
Mangels einer Lesebrille brauche ich gar nicht versuchen die Reihenfolge auf dem Monitor zu erkennen, will ich auch nicht.
Mein Equipment habe ich bereits verstaut, ich bleibe noch bis zum zweiten Song der Sendung: Suicidal Tendencies! Dann verabschieden wir uns, mit der Aussicht auf ein Wiedersehen im Sommer, dann hoffentlich endlich mal eine Runde auf den Öfen drehend…
Die Nacht ist tiefschwarz, ich bin auf meinem Heimweg…im Autoradio das Stahlwerk…

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Steckbrief:

Jakob(42) Stahlwerkmoderator, Autor

Fan, Sammler, Motor- und Musikjunkie

Schon Jakobs Kindheit war geprägt von Musik. Im sehr musikalischen Elternhaus wurde selbst musiziert, oder es lief Musik vom Plattenspieler. Diesen zu bedienen erlernte der kleine Jakob noch im Kindesalter, damit er sich – als er mal krank zu Hause blieb – selbst ‘ne Märchenplatte auflegen konnte. Dabei blieb es freilich nicht.
Die Frage an seine Mutter, ob er nicht auch mal was anderes hören könnte, wurde mit dem eher zufälligem Zücken der „Heiß wie Schnee“ von den Puhdys beantwortet, und für die nächsten vier Jahre wurde Jakob zum Puhdys Fan, was in dem Wunsch gipfelte, nicht etwa Kosmonaut (sehr beliebt in dieser Zeit), sondern der nächste Schlagzeuger der bekannten DDR Rocker zu werden. Allerdings gab es da auch noch das Fenster zum Hof. Durch jenes Fenster, drangen an manch sommerlichem Abend immer öfters Klänge aus den Kassettenrecordern der Jugendlichen – von den Alten auch gern Gammler genannt –, mit dabei der Queen Song „Radio Ga Ga“,  ein Song der ihn nachhaltig beeindruckte.
Die Rock Musik gewann Stück für Stück einen immer größeren Platz in seinem Herzen, er begann nun gezielt nach neuer Musik zu suchen, die er dann aus dem Radio auf dem gefundenen Recorder von Opas Dachboden aufnahm. Dabei stieß er auf zwei essentielle Sendungen im DDR Radio „Musik für den Recorder“ und die „Tendenz Hard bis Heavy“ Als er dazu einen Pop/Rocky Artikel über AC/DC in die Hände bekam und wenig später deren Album „Flick Of The Switch“ in die Ohren, war für den mittlerweile Zwölfjährigen klar: DAS IST ES!
Ab diesem Zeitpunkt scheint sich alles zu verdichten, Raum wie Zeit. Immer neue Bands kommen bei Jakob auf die Tapes. Scorpions, Motörhead, Testament. Immer wieder ist er erstaunt, was Jens Molle über den Äther schickt. Das erste Mal Slayer hören, unfassbar brutal…die ersten Metallica Songs…
Das Radio blieb bis heute sein liebstes Medium und nach ein paar Jahren als Plattenverkäufer im WOM in Berlin brachte ihn ein Praktikum bei Radio Fritz verdächtig nahe an das Mikrofon beim „Stahlwerk“, der Nachfolgesendereihe der „Tendenz…“ Dort lernte ich Jakob das erste Mal kennen. Der Typ der bei unserem SCRAM Besuch im Sender noch die Höreranrufe entgegennahm, wurde kurze Zeit später DER Mann für den das Stahlwerk heute steht. Das ist nun 15 Jahre her, und Jakob hat, wie er sagt “immer das Ohr an der Schiene“. Und genau das macht Jakob für die Szene, den Underground im Allgemeinen und für Berlin/Brandenburg im Besonderen so wertvoll.

Schrieb für Metal Hammer, Rock Hard

Schreibt für das Deaf Forever

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4 Comments

  1. Susann Herhold Januar 11, 2017

    „Ab diesem Zeitpunkt scheint sich alles zu verdichten, Raum wie Zeit.“ Dieser Satz spricht mir aus dem Herzen, wenn ich mich in dem Sog, in dem Strudel befinde, wenn ich beim Entdecken neuer-alter Musik für mich bin.

    Jakob, danke, dass du mit deinem weiten musikalischen Horizont und deinem Herzblut für Rock und Metal die tollste, spannendste, berührendste Radiosendung füllst. Für die lass ich Donnerstag alles stehen und liegen.

    Peter, nun schmöker‘ ich weiter in deinen Gesichtern einer Szene. Macht Spaß.

  2. Jakob Kranz Januar 9, 2017

    Hallo Robert, das ist ein Missverständnis. Ich wollte wissen, ob Maiden sich an die Shows 1985 in Polen erinnern (die für viele in der DDR eine persönliche Bedeutung hatten). Dass ich persönlich dabei war, hat der Kollege im Interview dazugedichtet. Aber…ich WÄRE selbstverständlich gern dabei gewesen!

  3. peter Januar 8, 2017

    verrückt, nicht wahr? Tja, keine Ahnung wo beim DF der Fehler liegt…

  4. Robert Stein Januar 7, 2017

    Im Deaf Forever stand, dass Jakob Iron Maiden in Polen anno 1985 gesehen hat. Wenn er jetzt 42 ist, wäre er dort um die 11 gewesen sein. Oder verwechsel ich da was?

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